Sonne als Stromlieferant, Licht als Köder


Es klingt nach der Umsetzung einleuchtender Ideen: Beim Besuch der Delegation um Oberbürgermeister Christian Schuchardt in Mwanza feierte das wichtigste der zahlreichen Einzelprojekte der Klimapartnerschaft, die 2011 mit Würzburg eingegangen wurde, nun Halbzeit. Zwei der vier geplanten Photovoltaikanlagen in der Stadt am Victoria-See sind inzwischen installiert. Die Anlage auf einem Dach des Nyamagana-Hospitals und die Solarzellen auf der Radio-Station der Stadt entsprechen auch ungefähr der halben Gesamtmodulleistung von rund 110 kWp, die durch eine hohe Förderung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung (BMZ) erst möglich wurde. Knapp 400.000 € bewilligte das Ministerium im Rahmen der Klimapartnerschaft bereits 2013, Würzburg wird nur rund 10 % dieser Kosten tragen müssen.

Bei der feierlichen Eröffnung der Anlage auf dem Krankenhausdach sortierte Dr. Jakob Frommer, der Fachbereichsleiter Umwelt- und Klimaschutz, diese globale Koope-ration richtig ein: „Wir sind die erste Generation, über die man sagt, dass sie die Auswirkungen des Klimawandels bereits selbst zu spüren bekommt. Netzwerke über Ländergrenzen hinweg sind die Grundvoraussetzung, um mit dieser großen Herausforderung fertig zu werden. Die vielen Einzelmaßnahmen sind hierbei eingebettet in ein stimmiges Gesamtkonzept.“ Tatsächlich lassen sich in beiden Städten bereits Klimaphänomene feststellen, denen man nur noch durch Klimaanpassung beikommt. In Würzburg ächzt die Stadt zunehmend unter heißen Tropennächten im Sommer und rechnet bis zum Ende des Jahrhunderts mit einem Temperaturanstieg um bis zu fünf Grad im Durchschnitt. In Mwanza könnten die Folgen eines weiter ungebremsten Klimawandels ein sinkender See-Pegel sein, oder auch eine weitere Zunahme von Wetterextremen wie Starkregen mit Überschwemmungen oder aber lange Dürrephasen.

Als eines von neun deutsch-afrikanischen Pilotkommunen-Pärchen des BMZ-Programms stemmen sich Würzburg und Mwanza gemeinsam gegen diese negati-ven Prognosen. Der Solartechnologie kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Für beide nun installierten Anlagen gibt es bereits eine hochgerechnete jährliche Stromerzeugung. Nach Aussage der Firma Belectric „ernten“ die beiden Anlagen in Tansania rund 80 % mehr Strom als eine vergleichbare Anlage „in unseren Breiten“. Die Ausrichtung der Module erfolgt in Nähe des Äquators fast senkrecht gen Himmel. Während bei uns nur nach Süden ausgerichtete Dächer im richtigen Neigungswinkel eine optimale Rendite versprechen, hat es in Tansania auf jedem Flachdach im Schnitt 7 bis 9,4 Stunden täglich Sonne. In Deutschland machen sich mit einer Spannbreite von 1,5 bis 7,5 Sonnenstunden im Monatsmittel die Jahreszeiten viel deutlicher bemerkbar. In Würzburg kann es zudem passieren, dass auf einer Solaranlage einige Tage im Jahr Schnee liegt und keine Sonne mehr durchlässt. Dies kann man für Tansania definitiv ausschließen.

Dieses enorme Photovoltaik-Potential ist in Tansania aber keinesfalls bereits allge-mein bekannt. Die vier Anlagen – eine entsteht noch in Rathaus-Nähe, eine weitere auf einem Schuldach – sollen entsprechend als Pilotprojekte die Öffentlichkeit sensibi-lisieren und möglichst viele Nachahmer finden. Der örtliche Projektmanager Amin Allbright berichtete im Beisein von Heike Jope von der Deutschen Botschaft in Daressalam bereits von ersten Gruppen Interessierter, denen er die Anlage auf dem Krankenhaus-Areal präsentierte. Die Besonderheit hier: Es handelt sich um keine Insellösung. Es ist die erste Photovoltaikanlage in Tansania, die auch ins Stromnetz einspeisen kann. Man kann Tansania grundsätzlich nicht nachsagen, dass es für regenerative Energien nicht aufgeschlossen
wäre: Rund 57% der erzeugten Energie des halbstaatlichen Konzerns TANESCO stammen aus Wasserkraft. Insgesamt könnte die Energieproduktion in Tansania aber noch gesteigert werden, die Import-Quote liegt aktuell bei 46%. Diese Abhängigkeit von fremden Märkten und die gestie-gene Nachfrage im eigenen Land sorgen noch immer für Engpässe und Stromausfälle und diese dürften wiederum auch ein Hemmnis für viele Investoren sein.

Das Photovoltaik-Projekt ist aus ökologischer wie ökonomischer Sicht von Interesse. Dies gilt auch für das Fischerlampen-Projekt am Victoria-See. Diese Idee wurde ebenfalls schon vor einigen Jahren geboren. Einen ersten Lampen-Prototyp (gespon-sort von einem Würzburger Privatmann), der ohne das heute noch übliche Verbrennen von Kerosin auskommt, gab es bereits vor vier Jahren als Oberbürgermeister Georg Rosenthal Mwanza besuchte. Zahlreiche internationale Workshops, Tagungen, Austauschtreffen und Dialogveranstaltungen später ist die Idee nun in einer überarbeiteten Ausführung im Arbeitsalltag der Fischer angekommen. 36 Solarlam-pen wurden im März bestellt, seit Mai sind diese im Einsatz und haben sich laut Eli-rehema Kaaya von der Stadtverwaltung Mwanza mehr als bewährt. Tagsüber liegen die kleinen Solarzellen in der Sonne, nachts nutzen die Fischer die Lampen als Kö-der. Das Licht lockt die Fische an die Oberfläche und dort gehen sie in die Netze. Durch die helleren LEDs ist die Ausbeute nun sogar doppelt so hoch als auf Booten, die weiterhin mit Kerosinlampen und somit weniger Lumen die Wasseroberfläche ausleuchten. Weil es zudem günstiger ist, sich eine aufgeladene Lampe auszuleihen, als Kerosin für eine Nacht zu kaufen, sei die Nachfrage sehr groß. Die Käufe von 50 weiteren Lampen im November und noch einmal 100 im Dezember seien auch wich-tig, um erste Streitereien unter den Fischern um die begehrten Leuchten abzustellen.

Vor Ort hat Dr. Bernd Schmitt, der das Projekt seitens der Stadt Würzburg inhaltlich bearbeitet, nun einen Blick in die Bücher der Tanzanian Renewable Energy Associa-tion (TAREA) geworfen und festgestellt, dass durch die 32 Lampen, die derzeit funk-tionieren und im Einsatz sind (vier defekte Lampen wurden aktuell ersetzt), in nur etwa fünf Monaten ein Wert erwirtschaftet wurde, mit dem man nun schon wieder 10 verbesserte Lampen einer neueren Generation zusätzlich beschaffen kann. Diese kosten aktuell rund 150 € pro Stück. Sie haben inzwischen standardmäßig einen GPS-Sender und einen Passwortschutz.
Missbrauch und Diebstahl werden so erschwert. Wenn die Verbreitung der neuen Technik weiter mit dieser Dynamik voranschreitet, scheint selbst der Austausch der rund 17.000 Kerosinlampen, die aktuell in der Mwanza Region für den Fischfang eingesetzt werden, keine Utopie zu sein.
Er-wähnenswert ist, dass die neuen Lampen nun auch von einer Firma kommen, die in Tansania ansässig ist. Auch wenn die Module weiterhin „Made in China“ sind, so ist nun aber das Knowhow für Betrieb und Wartung der Technik im Land. „Dies ist ein Vorteil gegenüber den Anfängen dieses Projekts“, meint auch der Klimaschutzbeauf-tragte Christian Göpfert, der die Klimapartnerschaft seit der Gründung betreut.
Lange Transportwege von Technik und Auseinandersetzungen mit der Hafenbehörde oder dem Zoll in Daressalam ließen sich aus der Ferne oft nur mühsam begleiten, die Zusammenarbeit mit der Firma Simusolar aus Musoma, ebenfalls am Victoria-See gelegen, verspricht nun eine nachhaltige Vereinfachung.

Für das Fischerlampen-Projekt spricht neben den wirtschaftlichen Gründen und der potentiellen jährlichen CO2-Ersparnis von rund 15.000 Tonnen in der Region, ein drittes wichtiges Argument: die Arbeitssicherheit. Das Kerosin wird bislang in den Lampen unter Druck gesetzt, gasförmiger Treibstoff verbrennt und sorgt für ein helles Licht
– bisweilen aber auch für Explosionen. Es kam aufgrund defekter Lampen wiederholt zu schweren Unfällen auch mit Todesfällen. Des Weiteren stellt der Transport großer Mengen Kerosins – meist in haushaltsüblichen Glasflaschen – eine ständige Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Eine Auflage des Förderprogramms ist, dass für jede neue Solarlampe, die auf Fischfang geht, eine alte Kerosinlampe vernichtet werden muss. Dass dieses Schicksal zunächst die ältesten und klapprigsten Modelle ereilt, dürfte die Sicherheit an Bord der Holzkähne schnell merklich erhöhen.

Die Photovoltaikanlagen und das Fischerlampen-Projekt sind aktuell die Säulen der Klimapartnerschaft zwischen Mwanza und Würzburg. Gerade im
Umwelt- und Kommunalreferat Wolfgang Kleiners hat das Fördern von „Hilfe zur Selbsthilfe“ in der Partnerstadt eine lange Tradition. Noch heute sind zwei Müllfahrzeuge, die früher den Stadtreinigern dienten, in der grünsten Stadt Tansanias im Einsatz. Aktuell ist ein weiteres Einsatzfahrzeug im Anmarsch, diesmal zur Unterstützung der Feuerwehr.
Die gegenseitigen Besuche der verbundenen Kommunen dienen stets auch für persönliche Projekt-Zwischenberichte, fachlichen Austausch oder gar der spezifischen Schulung von Personal.