500.000 Menschen fielen dem „Porajmos“, dem vom NS-Staat systematisch durchgeführten Völkermord an Sinti und Roma, zum Opfer. Weit verbreitete Vorurteile hatten den Boden bereitet für die staatliche Verfolgung der „zigeunerischen Personen“. Schritt für Schritt wurden sie zunächst in ihren Rechten eingeschränkt, vom öffentlichen Leben ausgeschlossen und bereits ab 1938 viele in Konzentrationslager eingeliefert. Im Dezember 1942 ordnete SS-Reichsführer Heinrich Himmler die Deportation aller im Reichsgebiet lebenden Sinti und Roma an, um sie zu vernichten. Noch mehr Opfer forderte der Porajmos in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten.
Unter den Opfern waren auch 30 namentlich bekannte Würzburger Sinti. Nur von vier ist bekannt, dass sie überlebten. Anlässlich des „Internationalen Tages des Gedenkens an den Genozid an den Sinti und Roma“ legte Oberbürgermeister Christian Schuchardt gemeinsam mit Erich Schneeberger, Landesverbandsvorsitzender des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, Kränze am Mahnmal am Paradeplatz nieder.
„Der Weg des Porajmos begann auch hier bei uns: Würzburgerinnen und Würzburger waren Opfer. Und sie waren Täter, die weggesehen oder mitgemacht haben“, sagte Schuchardt bei der Kranzniederlegung. „Porajmos und Shoa führen uns exemplarisch vor Augen, welche furchtbaren Folgen drohen, wenn rassistische Vorurteile gesellschaftsfähig werden, wenn rassistische Parteien mehrheitsfähig werden und wenn schließlich ein Staat sich anmaßt, über Wert und Unwert menschlichen Lebens zu entscheiden“, so Schuchardt.
Aktuelle Studien zeigten, dass der Antiziganismus auch heute noch in der deutschen Bevölkerung verwurzelt ist: „Deshalb sage ich: Null Toleranz für diese geistige Umweltvergiftung. Ich nehme es auch nicht hin, dass Sinti und Roma weiter Opfer von Diskriminierung werden, etwa bei der Wohnungssuche oder am Arbeitsplatz. Das Denkmal hier ist ein Appell zum Handeln, weil es uns daran erinnert, wozu verbreitete rassistische Vorurteile, alltägliche Diskriminierung und menschenverachtende Agitation in unserem Land schon einmal geführt haben. Handeln muss der Staat, indem er schonungslos gegen Hetze vorgeht und in seinen Bildungseinrichtungen die Einsicht vermittelt: Sinti und Roma gehören seit Jahrhunderten zu uns. Sie haben große Leistungen erbracht, namentlich auf kulturellem Gebiet, und waren und sind für unser Land ein Gewinn. Handeln muss aber auch jeder von uns. Niemand darf tatenlos zusehen, wenn Menschen wegen ihrer Abstammung oder Herkunft ausgegrenzt, benachteiligt, herabgewürdigt oder tätlich angegriffen werden“, betonte Schuchardt.
Schneeberger zitierte exemplarisch für das gemeinsam erlittene Leid aus dem Leben des Würzburgers Karl Winterstein, Soldat im Ersten und Zweiten Weltkrieg, bis er 1942 aus der Wehrmacht entlassen wurde. Am 15. März 1944 wurde er von der Gestapo abgeholt und am 23. April in Auschwitz ermordet. Am 2. August 1944 wurden weitere 2.897 Menschen in die Gaskammern von Auschwitz überstellt, weil sie der Volksgruppe der Sinti und Roma angehörten. Sie waren alt, krank, Frauen, Kinder. Die arbeitsfähigen Lagerinsassen hingegen waren in den Wochen zuvor zu Zwangsarbeit in andere Konzentrationslager verschleppt worden. „Der 2. August 1944 hat sich tief in unser kollektives Gedächtnis eingegraben“, so Schneeberger.