Mauke: Tumor mit bunter Bakterienmischung
Für die tumorartige Mauke-Krankheit an Weinreben scheint eine Frühdiagnostik derzeit nicht realisierbar zu sein. Zwei Forscherinnen haben sich die Tumore genauer angesehen – und sind auf ein sehr spezielles Milieu gestoßen.
Für Winzer und Rebschulen wäre es hilfreich, wenn sie an ihren Weinstöcken die gefährliche Mauke-Krankheit noch vor dem Ausbruch erkennen könnten. Eine solche Frühdiagnostik gibt es bislang nicht, und sie wird wohl weiter auf sich warten lassen.
Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Rosalia Deeken vom Biozentrum der Universität Würzburg und die früher hier tätige Professorin Ute Hentschel-Humeida, die inzwischen in Kiel forscht. „Mit den derzeit verfügbaren Methoden ist eine zuverlässige Mauke-Frühdiagnostik nicht zu machen“, sind die Wissenschaftlerinnen überzeugt.
Was eine sichere Frühdiagnostik verhindert
Ein Grund: Für die Infektion genügen einige wenige der bakteriellen Erreger, und die verteilen sich mit dem Saftstrom in der ganzen Pflanze. Wo also sollte man die Probe für eine Frühdiagnostik entnehmen, deren Ergebnis zu 100 Prozent sicher ausfallen soll? Im Prinzip müsste man dafür die gesamte Pflanze „schlachten“, wie Deeken sagt.
Ein weiterer Grund: Verschiedene Spielarten der hoch empfindlichen Polymerase-Kettenreaktion (PCR), die sich prinzipiell für den Nachweis der Bakterien eignen würden, scheiden als Nachweismethode aus – dafür sind die Erreger genetisch viel zu unterschiedlich. Das haben die Forscherinnen mit dem Bakterienökologen und Bioinformatiker Dr. Alexander Keller vom Biozentrum mit Proben von fünf verschiedenen Orten in Unterfranken nachgewiesen.
Krankheit lässt den Ertrag sinken
Ausgelöst wird die Mauke von dem Erreger Agrobacterium vitis, der an Weinreben tumorartige Wucherungen verursacht. Das lässt den Ertrag sinken und im schlimmsten Fall die Rebstöcke absterben. Bislang gibt es keine Möglichkeit, die Mauke zu behandeln.
„Daher sind Rebschulen und Winzer sehr darauf bedacht, agrobakterienfreie Rebstöcke zu erzeugen und zu verwenden“, sagt Deeken. Dieses Ziel sei allerdings schwer zu erreichen, denn die Agrobakterien können jahrelang unerkannt in der Pflanze leben, bevor die Krankheit ausbricht. Und ohne Frühdiagnostik lassen sich infizierte Pflanzen nicht rechtzeitig aussondern.
Mikrobielle Gemeinschaft im Tumor untersucht
Die Würzburger Biologinnen und Doktorandin Hanna Faist haben sich auch mit den Grundlagen der Rebenkrankheit befasst. „Vom Menschen weiß man, dass bestimmte Bakterien die Entstehung und auch die Zerstörung von Tumoren fördern können“, erklärt Deeken. Darum befasste sich das Team eingehend mit der mikrobiellen Gemeinschaft, die in den Mauke-Tumoren lebt.
Die Doktorandin analysierte die Bakterienbesiedlung von kranken und gesunden Rebstöcken im Verlauf einer Wachstumsperiode und verglichen die Ergebnisse miteinander. Dafür kam die bei Keller etablierte Methode der Amplicon-Hochdurchsatzsequenzierung zum Einsatz; die untersuchten Rebstöcke stammten von der Bayerischen Landesanstalt für Wein und Gartenbau in Veitshöchheim.
Die Ergebnisse sind im Journal der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie (Applied and Environmental Microbiology) publiziert. Sie zeigen, dass die mikrobielle Zusammensetzung speziell im Tumorgewebe über die Jahreszeiten hinweg relativ stabil bleibt. Allerdings ist die Vielfalt an Bakterien in Mauke-Tumoren höher als in gesunden Rebstöcken.
Manche Bakterien hemmen das Tumorwachstum
Zusätzlich zu den Bakterienarten, die sich im gesunden Gewebe befanden, gibt es weitere, die ausschließlich im Tumorgewebe vorkommen. Darunter befinden sich Arten, die als „Opportunisten“ in den Tumor einwandern, weil er ihnen Schutz und Nährstoffe bietet. Andere wiederum hemmen das Tumorwachstum.
Der Erreger selbst braucht allerdings weder die einen noch die anderen Bakterien, um den Tumor zu erzeugen. Das wurde mit Weinreben nachgewiesen, die steril auf Agar-Nährmedien kultiviert und von der Rebschule Steinmann aus Sommerhausen zur Verfügung gestellt wurden. Eine Infektion der sterilen Reben ausschließlich mit Agrobacterium vitis genügte, um die Tumorbildung auszulösen.
Deekens Fazit: „Unsere Studie belegt, dass sich im Mauke-Tumor eine sehr spezielle bakterielle Gemeinschaft etabliert. Auf der einen Seite profitieren die Bakterien vom Tumor-Milieu, auf der anderen Seite halten sie die Krankheit in gewissem Ausmaß in Schach: „Der Tumor wird dadurch nicht so groß, dass die meisten infizierten Rebstöcke nicht damit überleben könnten.“ Was die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bakterien im Tumor genau zu bedeuten haben, sollen weitere Untersuchungen klären.
“Crown galls of grapevine (Vitis vinifera) host distinct microbiota”, Faist H, Keller A, Hentschel U, Deeken R (2016), Applied and Environmental Microbiology Vol 82, Issue 18, DOI: 10.1128/AEM.01131-16
Förderer des Projekts
Finanziell unterstützt wurde diese Studie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (GK1342: A5 – Deeken, A8 – Hentschel/Riederer) und dem Universitätsbund Würzburg im Rahmen des Universitäts-Förderpreises der mainfränkischen Wirtschaft 2012.