Ein neuer Schrittmacher stimuliert den unteren Schließmuskel der Speiseröhre und hilft damit, starken, chronischen Reflux in den Griff zu bekommen. Das Uniklinikum Würzburg bietet das aussichtsreiche Verfahren seit Januar dieses Jahres als einziges Krankenhaus in Unterfranken an.
Speiseröhre und Magen sind durch eine Art Ventil voneinander getrennt, dem unteren Ösophagussphinkter. Normalerweise öffnet sich dieser Schließmuskel nur, um Nahrung oder Flüssigkeit von der Speiseröhre in den Magen passieren zu lassen, ansonsten bildet er eine dichte Barriere. Wenn der Sphinkter nicht richtig funktioniert und grundlos erschlafft, kann ein Teil des Mageninhalts in die Speiseröhre zurückfließen. Dies ist oft die Ursache für die sogenannte Refluxkrankheit. „Chronischer Reflux ist mit starkem Sodbrennen verbunden. Außerdem kann er zu schweren Schäden an der Speiseröhre führen und darüber hinaus zum Beispiel auch Asthma hervorrufen“, berichtet Prof. Burkhard H. A. von Rahden. Der Oberarzt an der Chirurgischen Klinik I des Uniklinikums Würzburg (UKW) fährt fort: „Wenn eine medikamentöse Therapie nicht den nötigen Erfolg zeigt, ist unsere derzeitige Standardbehandlung die Laparoskopische Fundoplikatio. Hierbei formen wir in einem operativen Eingriff aus Magengewebe eine Manschette, die den Schließmuskel unterstützt. Seit Januar dieses Jahres verfügen wir mit dem EndoStim-System über eine weitere Therapieoption.“
Elektrische Reize für den Ösophagussphinkter
Das EndoStim-System besteht aus einem Stimulator – ähnlich einem Herzschrittmacher – und zwei Elektroden. In einer minimalinvasiven Operation werden die Elektroden am unteren Ösophagussphinkter platziert. Den Stimulator implantiert der Operateur im Bauchbereich. In der Folge gibt der Stimulator kontinuierlich elektrische Impulse an die Elektroden ab. Diese sanfte Stimulation führt dazu, dass der Schließmuskel der Speiseröhre wieder normal funktioniert: Er bleibt geschlossen zur Vermeidung von Reflux und öffnet sich, um das Schlucken zu ermöglichen. Der Patient spürt die schwachen Stromimpulse nicht.
Erste Implantation des Systems am UKW im Januar 2017
Am 20. Januar dieses Jahres implantierte Prof. von Rahden der ersten Patientin des UKW das neue System. Die 71-Jährige hatte bis dahin einen mehrjährigen Leidensweg hinter sich. Bei ihr stieg der Mageninhalt bis zum Kehlkopf auf und verursachte dort eine schwere Entzündung. Trotz der Einnahme von Säureblockern waren Schmerzen, Räuspern, Husten und Schleimspucken ihre ständigen Begleiter.
Die erfolgreiche Schlüssellochoperation, bei der Prof. von Rahden zur Einarbeitung unterstützt wurde von Dr. Dietmar Stephan vom St. Marien-Krankenhaus in Siegen und Klaudia Kohl von der Herstellerfirma EndoStim, dauerte etwa 90 Minuten. Bereits vier Tage später verließ die Patientin das Würzburger Uniklinikum. „Der gesamte Behandlungsverlauf war komplikationslos und der Patientin geht es gut. Für eine Beurteilung des funktionellen Ergebnisses ist es allerdings noch zu früh. In etwa sechs Monaten werden wir sie zu umfangreichen Kontrolluntersuchungen wiedersehen“, kündigt Prof. von Rahden an.
Die Batterie des eingebauten Stimulators hat nach Herstellerangaben eine Lebensdauer von etwa zehn Jahren. Nach diesem Zeitraum muss das Aggregat in einem ambulanten Eingriff gewechselt werden. Die Firma arbeitet an einem von außen durch Induktion aufladbaren System.
Studie zum Verfahrensvergleich geplant
Mit der gelungenen Premiere ist das Uniklinikum Würzburg das derzeit einzige Krankenhaus in Unterfranken, das das neue Stimulatorverfahren anbietet. „EndoStim fügt sich perfekt in unser Behandlungsportfolio bei der Refluxkrankheit ein und hat möglicherweise sogar das Potenzial, zum Standardverfahren zu werden“, freut sich Prof. von Rahden. Um für einen Vergleich mit dem bisherigen Standard, der Laparoskopischen Fundoplikatio nach Toupet, belastbare Daten zu bekommen, soll demnächst unter seiner Leitung am UKW eine prospektiv randomisierte wissenschaftliche Studie starten, bei der die Studienteilnehmer während der Operation dem einen oder anderen Behandlungsverfahren zugelost werden.
Patientenselektion per Funktionsdiagnostik wichtig
Aktuell werden an der Chirurgischen Klinik I des Uniklinikums Würzburg jährlich über 200 Patienten mit gastroösophagealer Refluxkrankheit behandelt. „Voraussetzung für einen solchen Eingriff und langfristig gute Ergebnisse sind der funktionelle Beweis der Refluxkrankheit und der Ausschluss von Kontraindikationen. Extrem wichtig für eine adäquate Patientenselektion sind daher die hochspezifischen Untersuchungsleistungen unseres Labors für Gastrointestinale Funktionsdiagnostik“, unterstreicht Prof. von Rahden. Nach seiner Beobachtung gibt es derzeit leider noch zu viele Patienten, die im Fall des medikamentösen Therapieversagens nicht ausreichend weiter diagnostiziert werden und denen die heute verfügbaren, guten Chancen für eine Lebensqualitätsverbesserung vorenthalten werden.