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Wilhelm Leib


Einer der größten deutschen Maler des 19. Jahrhunderts in Würzburg begraben 

Einer der größten deutschen Maler des 19. Jahrhunderts und sein intimster Freund und Kollege Johannes Sperl ruht unter dem aus Kelheimer Muschelkalk gefertigten imposanten Monument auf dem Würzburger Hauptfriedhof, das in gotischen Buchstaben die schlichte Inschrift trägt:

Wilhelm Leibl 23. Oktober 1844 – 4. Dezember 1900.
Johannes Sperl 3. November 1840 – 28. Juli 1914.

Es steht in der 1. Abteilung, etwa 50 Meter südlich der Aussegnungshalle. Die unterste Ecke des Steines veranschaulicht ein Stück des schönen Landes unter dem Wendelstein, Kutterling, das dem Rheinländer Leibl zur eigentlichen Heimat geworden ist. Geschaffen wurde er nach einer Zeichnung von Johannes Sperl von Baurat Kargus. Modelliert wurde er von Philipp Kittler und gehauen von Steinmetz Gröschel. Links war für Leibl als Symbol eine Eiche, rechts für Sperl eine Föhre in den Stein geschlagen worden.

Als Leibl, das fünfte von sechs Kindern, unter denen sich eine Schwester befand, der Domkapellmeisters-Eheleute, am 23. Oktober 1844 geboren wurde, war sein Vater Karl schon über sechzig Jahre alt. Auch Leibls Mutter Gertrud hatte bei seiner Geburt bereits das siebenunddreißigste Lebensjahr vollendet.
Die Jugendzeit verlebte er im Haus Nummer 16 der Altkölner Sternengasse, in der einst auch Rubens als Kind gespielt hat.
Bei Wilhelm Leibl hat sich sehr frühzeitig die Lust zum Zeichnen geregt. In der Volksschule bekritzelt er die Schiefertafel mit seinen Phantasien. Auf dem Gymnasium setzt er diese „Studien“ fort, wird sogar sehr früh ein Porträtist. Auf Bestellung zeichnet er seine Mitschüler und lässt sich jedes Konterfei mit zwei Pfennigen bezahlen, der Pfennig war damals noch etwas wert. Die Zeichenstunden erfüllen ihn ganz, waren seine Welt. Der Zeichenlehrer Hermann Becker hat früh das starke Talent des Jungen erkannt und pflegt es sorgsam.

Frühzeitig verlässt Leibl die lästig gewordene Schule und wird Lehrling bei einem Schlossermeister. Nach einer kurzen Zeit der Lehre gesteht er den Eltern, dass der Beruf des Technikers sein Leben nicht ausfüllen könne. Schließlich wird Wilhelm Leibl der ersehnte Beruf erlaubt, er darf seine Lehrstelle verlassen und seinen Traum, Künstler zu werden, verwirklichen. Der Zwanzigjährige geht nach München, und besteht die Aufnahmeprüfung auf der Akademie mit Auszeichnung. Er bildet sich dort unter dem bekannten Professor Piloty und unter den Professoren A. von Ramberg und Anschütz aus.
In München befreundete er sich auch mit Gustave Courbet, der ihn nach Paris einlud. Schon seine ersten Bilder in München waren Meisterwerke einer selbständigen malerischen Beobachtung. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris 1870 bei seinem Freund Gustave Courbet, zog sich Leibl schon mit 30 Jahren in die Dörfer der Umgebung Münchens zurück, wo er seine vollendete Malkunst entfaltete. Er wechselte mehrmals seine Wohnorte in Oberbayern: Bernried am Starnberger See, Grasselfing, Unterschondorf am Ammersee 1875, Berbling 1878 und dann ab 1881 war er zehn Jahre in Aibling. „Ich habe immer gearbeitet und dabei in den dürftigsten Verhältnissen gelebt und den Ärger zu verbeißen gehabt, meine Ansichten misskannt und verachtet zu sehen“, schrieb Leibl aus Berbling an seine Mutter nach Würzburg-Oberzell. Seine letzte Lebensstation war ab 1892 das kleine Dorf Kutterling am Wendelstein. Seine Modelle wählte er aus seiner Umgebung: Bauern, Bäuerinnen, Jägersleute. In einer großen Anzahl von Bildern setzte er ihnen ein Denkmal. Er war hauptsächlich Menschenbildner. Das wohl bekannteste Leibl-Gemälde ist „Drei Frauen in der Kirche von Berbling“, gemalt in der Zeit von 1878 bis 1881.

Im Jahre 1892 wurde er wegen seiner hervorragenden Leistung von Prinzregent Luitpold von Bayern mit dem Titel eines königlichen Professors ausgezeichnet. Doch der Ruhm des Malers Wilhelm Leibl setzte erst nach seinem Tod im Jahre 1900 ein. Für die „Drei Frauen in der Kirche“ bekam er 1883 von der Familie Schön in Worms immerhin 40 000 Mark, bevor der Wert durch Ausstellungen in Wien, Paris und London (1884) so weit anstieg, dass die Hamburger Kunsthalle 1906 dafür 225 000 Mark zahlen musste. Für die Allgemeinheit entdeckt wurde sein Schaffen auf der legendären „Jahrhundertausstellung deutscher Kunst“ 1906 in Berlin.

Leibl kam vor allem wegen seiner Schwester Katharina Kirchdörffer öfter nach Würzburg. Sie war in Zell verheiratet und hatte auch Leibls Mutter bis zu deren Tode bei sich. Von seiner Mutter schuf er bei einem Besuch 1879 ein Bildnis, das als die schönste Zeichnung einer Künstlermutter seit Dürer in die Geschichte eingegangen ist. Es ging später in den Besitz der Münchener Staatsgalerie über. Das Porträt seiner Nichte Nina (Lina) Kirchdörffer erregte schon 1871 Aufsehen und wurde von der Neuen Pinakothek angekauft. Auch sein Bild „Die Mutterhände“ entstand in Würzburg. Außerdem lebte des Künstlers Bruder Johann als Arzt in Zellingen, der 1895 dort verstorben ist.

Die Bürgerspital-Weinstuben hatten es Leibl ganz besonders angetan. Hier traf er sich des Öfteren mit seinem Schwager, dem damaligen Bürochef der Firma Koenig & Bauer Kirchdörffer. Wie aus einem noch erhaltenen Brief hervorgeht, wollte er jedoch in Würzburg nicht ausstellen. Ursache: er achtete das Kunstinteresse jener Tage in Würzburg nur sehr gering.

In den letzten Jahren seines Lebens wurde Leibl, der auch ein leidenschaftlicher Jäger war, von einem chronischen Herzleiden und Atmungsbeschwerden geplagt. Zur Vergrößerung des Herzens kam auch noch Gicht, so dass er im Mai 1900 gezwungen war, Bad Nauheim aufzusuchen. Seine Nichte Lulu Kirchdörffer aus Würzburg, die jüngere Tochter seiner Schwester Katharina, begleitete ihn. Wilhelm Leibls Herzleiden verschlimmerte sich so stark, dass ihm sein treuer Freund, Arzt und Biograph, Dr. Mayr in Brannenburg, zur Übersiedlung in eine Würzburger Klinik riet.

Am 8. November 1900 kam er nach Würzburg und suchte die Klinik des berühmten Medizinprofessors Dr. von Leube im „Hotel Kronprinz“ auf; er sollte von dort nicht mehr in seine geliebten bayerischen Berge zurückkehren. Das „Hotel Kronprinz“ stand an der Ecke Theaterstraße/Residenzplatz, heute ist hier ein Bankgebäude. Als die Universitätsprofessoren der Medizin noch keine Privatstation im Juliusspital hatten, mieteten sie, soweit sie gesuchte Koryphäen waren, für ihre vermögenden Privatpatienten Hotelzimmer an. Als der Gynäkologe Freiherr von Scanzoni-Lichtenfels aus dem Hotel „Kronprinz“ auszog, um im „Russischen Hof“ in der Theaterstraße 1 seine Patientinnen zu behandeln, da zog Professor Leube in das freie Stockwerk ein. Von seinem Krankenzimmer aus begeisterte ihn der Blick auf die Residenz und den Hofgarten. “Wie im Märchen“, schrieb er an seinem Freund Johann Sperl. Liebevoll gepflegt von Ordensschwestern und seinen Verwandten (seiner Schwester Katharina, seiner Schwägerin Frau Dr. Leibl in Zellingen), klappte der ehedem so robuste Mann rasch zusammen. Die ärztliche Kunst vermochte die durch Wassersucht beschleunigte Katastrophe nicht aufzuhalten. Mit den Sterbesakramenten versehen, tat Leibl, der Katholik war, aber sich um die kirchlichen Regeln wenig kümmerte, am 4. Dezember 1900 abends gegen 8.30 Uhr , mit dem Rufe: „Zurück, ich muss sterben!“ seinen letzten Atemzug. Am 7. Dezember trug man den Meister in Anwesenheit namhafter Künstlerfreunde auf dem Würzburger Hauptfriedhof nachmittags ½ 5 Uhr zur ewigen Ruhe – er ist nur 56 Jahre alt geworden.