„Teufelsgeiger Jules Siber – der „deutsche Paganini“
Ein Violinvirtuose und Komponist, ein Schriftsteller und promovierter Jurist – alles das war der vor 140 Jahren am 30. Oktober 1871 in Dettelbach als Spross einer alten Würzburger Familie geborene Julius Siber, der weltweit künstlerische Erfolge feierte.
Jules Sibers Vater, Doktor der Medizin Oskar Michael Siber, gestorben 1914, war ein erfahrener Arzt, der 1866 unerschrocken bei der Cholera-Epidemie in Prag sich betätigt hat, ein bescheidener Mann von allgemeinem Wissen und ein vorzüglicher Münzenkenner.
Von seinen Söhnen hatten sich zwei dem Berufe des Vaters zugewandt; der älteste, Dr. Stefan Siber war einer der besten Chirurgen unserer Stadt und ein anderer Sohn, Jules Siber wurde als „deutscher Paganini“ verehrt. Carmen Silva, die schriftstellernde Königin Rumäniens, schenkte ihm, der vor ihr spielte, eine Locke und die berühmte „Spinne“ der Geige des so von ihm verehrten Paganini. „Fanatisch geliebt und verwahrt“ hatte er diese. Jules Siber spielte vor den Königshäusern der Welt und versetzte ganze Menschenmassen in Ekstase.
Heiner Dikreiter beschrieb ihn als „charakteristischen Musikerkopf mit den wirren, in die Stirn fallenden Haarsträhnen und der langen, leicht überhängenden Nase, dem schmallippigen Mund und den hochgezogenen Augenbrauen.“ In Würzburg, wo er in der Leubestraße 7 wohnte, fand Siber keinen rechten Zugang zur Gesellschaft. „Ein Sonderling war er, ein Einzelgänger, der dem behäbigen Bürger immer einen leisen Schreck einjagte“, meinte Dikreiter.
Am 3. Dezember 1908 berichtete der Waldkirchener Anzeiger: “ Der Violinvirtuose Herr Dr. Jules Siber, ein zweiter Paganini, uns bekannt durch seine rühmlichen Violinkonzerte, hat auf seinen Orienttourneen, besonders in Bukarest im Saal des Athenäums einen großen Erfolg gehabt. Anwesend waren der Minister Aurelian, Ministerpräsident Sturzes, und der österreichische Generalkonsul. Die hohen Herrschaften spendeten dem begnadeten Künstler enormen Beifall. Dr. Siber wird im kommenden Jahre vor Seiner Majestät dem König von Rumänien ein Konzert geben.“
Auch der argentinische Staatspräsident lud ihm zu einer Matinee. In Frankreich befreundete er sich mit Knut Hamsun und Hans Carossa hat ihn seinen Lebenserinnerungen den interessantesten Mann genannt. Seine Konzerte waren immer eine echte „Sensation“, wie der Würzburger Schriftsteller Alo Heuler schrieb. Denn hier wie in jeder Begegnung mit ihm waren unerwartete Reaktionen möglich. Er war der Schrecken seiner Pianisten, weil er manchmal, spontanen Intuitionen folgend, seinen Begleiter völlig verwirrte.
Neben seinen stets umjubelten Konzerten als Geigenvirtuose tat er sich auch als Komponist solch populärer Stücke wie dem „Hexentanz“ hervor.
Der bedeutende Violinvirtuose avancierte zum Professor am Berliner Konservatorium und verfasste eine Reihe von viel gelesenen Bestseller-Romanen wie „Inkubus – ein okkulter Roman aus der Würzburger Hexenzeit“, „Paganini“, „Antichrist“ „Seelenwanderung“, und „Satan Triumphator“. 1937 schließlich erschien sein großer Chopin-Roman „Gastmahl der Schatten“. Die Umschlaggestaltung übernahm Heiner Dikreiter, der Begründer der Städtischen Galerie in Würzburg.
Bis zu seinem plötzlichen Tod am 24. Mai 1943 in Berlin riss die Verbindung zu seiner unterfränkischen Heimat nicht ab. Der „Teufelsgeiger“ wurde im Familiengrab auf dem Würzburger Hauptfriedhof beigesetzt.
„Die Spukgestalt Jules Sibers fehlt in den Würzburger Gassen, an deren hohen Häuserwänden er so oft entlang schlich, schleppenden Schrittes und mit der unentbehrlichen alten Ledermappe im Arm,“ stellte Heiner Dikreiter mit Bedauern fest. Für ihn war Siber „ein Künstlermensch, der in keine Schablone passte, und der den Mut hatte, ein Eigener zu sein.“
Text – Bild: Willi Dürrnagel