Der Pflegevater von Kaspar Hauser ein Wahl-Würzburger und hier beerdigt Vor wenigen Tagen gingen im nahen Ansbach die alle zwei Jahre stattfindenden Kaspar-Hauser-Festspiele zu Ende. Der Pflegevater Kaspar Hausers, Georg Friedrich Daumer, der 1800 in Nürnberg geboren wurde, gehört zu den namhaften Wahl-Würzburgern. Er verbrachte hier die letzten fünfzehn Jahre seines wirren Lebens und starb nach langem Siechtum im Dezember 1875 in dem längst verschwundenen Häuschen des Herrn Schönecker vor dem Pleichertor. Sein Grab befindet sich an der Mauer der 4. Abteilung des Würzburger Hauptfriedhofes.
Der Name dieses Gelehrten „der einst ein Saulus war und den Weg des Paulus gegangen“ und sich selbst ein Rätsel war, wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts viel genannt. Er studierte zuerst evangelische Theologie, dann Philosophie und wurde 1822 Lehrer am Gymnasium seiner Vaterstadt Nürnberg.
Am 28. Juli 1828 wurde ihm vom Magistrat Nürnberg der am 26. Mai 1828 unter seltsamen Umständen aufgefundene 17jährige Kaspar Hauser zur Erziehung übergeben. Das bayerische Königshaus unterstützte die Bestrebungen, welche darauf hinausliefen, dieses Findelkind als den vom badischen Großherzog Karl und dessen Gemahlin Stefanie, einer Tochter Josefine Bonapartes, 1812 geborenen Erbprinzen von Baden (der von der Gräfin Hochberg, Witwe des Großherzogs Karl Friedrichs, geraubt und ausgesetzt worden sei, um ihren eigenen Söhnen die Thronfolge zu sichern) auszugeben. Am 17. Dezember 1833 wird in Ansbach auf Kaspar Hauser ein Attentat verübt und er stirbt nach einem Stich in die Brust. Auf dem Ansbacher Friedhof trägt ein einfacher Stein die Inschrift: „Hier ruht Kaspar Hauser, das Rätsel seiner Zeit. Unbekannt ist seine Herkunft, unbekannt, wie er starb.“
Daumer trat bereits 1830 wegen Krankheit als Gymnasiallehrer in den Ruhestand. 1858 konvertierte er zum Katholischen Glauben, worauf – so behauptete Daumer selbst in einem Brief – Karl Marx ihn von London aus „für den allerelendesten Spießbürger und Nürnberger Philister“ erklärte und den „Pfaffendaumer“ mit der modernen Maschine, d.h. mit der Guillotine bedrohte.
Daumers Hauptwerk „Die Geheimnisse des christlichen Altertums“ erschien 1847. Als Lyriker trat Daumer vor allem mit Liebesgedichten und mit Übersetzungen orientalischer Gedichte hervor.
Trotz seiner manchmal nicht gerade kirchlichen Ansichten wurde er nach seinem fluchtartigen Umzug 1860 nach Würzburg zunächst wohlwollend aufgenommen, und letzten Endes bescheinigt ihm seine Grabinschrift, er sei, einst ein Saulus, zum Paulus geworden. Dazu schrieb Daumer in einem Brief vom Jahre 1860: „…Im Herbst werde ich nach Würzburg übersiedeln. Ich muss mich ganz und gar in eine katholische Bevölkerung hinein verstecken, denn ich werde fortwährend scheußlich verfolgt. Ich soll durchaus vernichtet werden; diesem Gesindel aber zum Opfer zu fallen, habe ich keine Lust…“.
Auch bekannte Gedichte stammen von Daumer, so hat z.B. Johannes Brahms 54 seiner Gedichte vertont und Thomas Manns Lieblingsgedicht war ebenfalls von Daumer.
DER VERZWEIFELNDE
Nicht mehr zu dir zu gehen,
Beschloss ich und beschwor ich,
Und gehe jeden Abend,
Denn jede Kraft und Halt verlor ich.
Ich möchte nicht mehr leben,
Möchte augenblicks verderben,
Und möchte doch auch leben
Für dich, mit dir, und nimmer, nimmer sterben.
Ach rede, sprich ein Wort nur,
Ein einziges, ein klares!
Gib Leben oder Tod mir,
Nur dein Gefühl enthülle mir, dein wahres!
Text und Bild: Willi Dürrnagel