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Der Maler Wilhelm Leibl


Ob die Empfänger der Briefe Wilhelm Leibls wohl im stillen Kämmerlein manchmal ähnlich auf die Zeilen reagierten wie nun die Besucher der abendlichen Leseperformance im Kulturspeicher? Der Schauspieler Markus Grimm liest mit kölscher Färbung aus der Post an die Eltern oder Schwester des Malers sowie an Größen des Kulturbetriebs im ausgehenden 19. Jahrhundert. Schnell fällt auf, wenn der *größte Bildnismaler seit Rembrandt“ beispielsweise genau ein solches Kompliment über sein Schaffen zu Ohren bekam, zögerte er nicht, es für sein Umfeld – meist nach koketten Worten über seine Schreibfaulheit – auch zu Papier zu bringen. Zu seinem frühen Erfolg bei der 1. Internationalen Kunstausstellung 1869 in München ist folgende Selbstwahrnehmung
überliefert: *Beinah möchte ich sagen: Ich kam, sah und siegte.“ Die Zuhörer der Lesung verdrehen bisweilen gequält die Augen und schütteln den Kopf. Wenn Grimm es als Leibl mit der Prahlerei übertreibt, erntet er immer wieder Lacher. Und dabei dürften die Besucher der Ausstellung *Rein malerisch – Wilhelm Leibl und sein Kreis“ sicher nicht im Verdacht stehen, dem 1900 in Würzburg verstorbenen Ausnahmekünstlers nicht grundsätzlich den nötigen Respekt entgegenzubringen.

In der Ausstellung sind Porträts des Künstlers als junger Mann zu bewundern und auch Gemälde von Künstlerkollegen, die einen muskelbepackten Leibl mit Römer-Helm in einer Veni-vidi-vici-Pose zeigen. Grimm ergänzt diese Werke durch ein weiteres Leibl-Bild, das durch seine Auswahl aus mehreren Hundert Seiten Briefwechsel im Kopf der Zuhörer entsteht. Dieses Porträt ist aber nur in den ersten Minuten eine Karikatur offensichtlicher Eitelkeiten. Man gewöhnt sich an den Tonfall und ist bald dankbar für diese sprudelnde, vielseitige Informationsquelle. Dr. Henrike Holsing, die Kuratorin der Ausstellung, bemerkt nach der Lesung: *All das Prahlerische kann die Zweifel und Kämpfe Leibls nicht überdecken. Man erfährt durch die Briefe auch viel über einen Künstler, der seinem Stil treu bleibt und sehr viel in seine Kunst investiert.“

Leibl war eben nicht nur Kraftmeier und Prahlhans, sondern auch ein aufopferungsvoller Perfektionist, der beispielsweise drei Jahre benötigte um sein Werk *Drei Frauen in der Kirche“ zu vollenden.
Auch wenn er schon in jungen Jahren hohe Verkaufspreise erzielt, wovon er naturgemäß sehr gerne berichtet, zieht er daraus nicht den falschen Schluss produktiver und somit reicher werden zu müssen. Seine Philosophie vom Malen lehnt das Erzählerische ab. Die Motive sollen möglichst wenig vom schöpfenden Künstler ablenken, der sein Handwerk absolut beherrscht und das Gesehene authentisch wiedergibt. Diesem Realismus bleibt Leibl treu. Er stößt die Tür zur Moderne auf, überlässt dann aber anderen den Vortritt. Seine Portraits und Figurenbilder sind bis zuletzt keinen Moden ausgesetzt.

Der Schauspieler Markus Grimm empfand die intensive Auseinandersetzung mit dem Künstler Leibl gleichermaßen amüsant wie inspirierend. Er war kurz vor der Anfrage des Kulturspeichers selbst bei Recherchen auf den Maler gestoßen und so ist es vielleicht auch kein Zufall, dass Grimm schnell viele Parallelen zwischen der Bildenden Kunst, der Literatur und der Schauspielerei fand, die ihm lange so nicht bewusst waren. Die Auseinandersetzung mit Leibls Kunst könne ein gutes Training dafür sein, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren: *Gute Literatur macht meiner Meinung nach etwas ähnliches und verliert sich nicht. Beim Betrachten der Werke Leibls muss man vielleicht genauso aufmerksam hinsehen, wie einst der Künstler beim Malen.“ Grimm stellt sich Leibl als einen Künstler vor, der wenige Kompromisse einging, auch bei Auftragsarbeiten. Man könne ihm wirklich abkaufen, dass Taler, Gulden und Mark – trotz der häufigen Erwähnung in den Briefen – nie der eigentliche Antrieb seines Schaffens waren.

Die Ausstellung *Rein malerisch“ ist noch bis zum 23.März zu sehen.
Mit rund 4600 Besuchern bislang, ist die Werkschau schon jetzt ein Erfolg. Und auch das Begleitprogramm mit der Kombination aus Kunst, Literatur und Wein sorgte nun bereits zum zweiten Mal für ein ausgebuchtes Foyer. Solche Kombitickets sind ein Mittel auf das der Kulturspeicher immer häufiger setzt. Bei der Ausstellung des malenden Literaten Hermann Hesse im vergangenen Jahr bot sich eine Lesung natürlich ebenfalls an und bei Max Pechstein sprachen die beiden Enkel des Künstlers aus ihrer persönlichen Perspektive über das Werk.

Fortsetzung folgt: Aktuell plant der Kulturspeicher zur Ausstellung Renée Sintenis zwei Veranstaltungen. Am 7. Mai hält die Kunsthistorikerin Ursel Berger, eine der großen Expertinnen für die Bildhauerei der Klassischen Moderne, den Vortrag: „Eine sehr große Frau modelliert sehr kleine Tiere“. Am 3. Juni gibt es eine Lesung von Silke Kettelhake aus ihrer Biographie zu Renée Sintenis. Am nächsten *dran“ am Künstler ist man aber natürlich in den Künstlergesprächen, die meist vom Freundeskreis organisiert werden: Am 13. Februar mit Kurt Fleckenstein, eine Woche später mit dem Konkreten Künstler Josef Linschinger, und am 8. Mai mit Christiane Möbus. Manchmal ist eben dem Museumsbesucher auch das Persönliche wichtig und nicht nur das *Rein Malerische“.

Foto: Erhellend: Der Schauspieler Markus Grimm gerahmt von zwei *Leibls“. Dank einer Brief-Auswahl konnten die Museumsbesucher dem Maler und Menschen Wilhelm Leibl nun noch näher kommen. Bild: Georg Wagenbrenner