Das Klärwerk ist ein High-Tech-Umweltschützer


Wenn es stark regnet, ein Großbrand zu löschen ist oder alle Fußballfans in der Halbzeit eines Weltmeisterschaft-Endspiels die Toiletten aufsuchen, laufen Kanäle und Klärwerke unter Volllast. Sind Sommer heiß und trocken, müssen Abwasser anders geklärt werden als in Regenzeiten. Umfangreiche und bis ins Detail durchgeplante mechanische, biologische und chemische Prozesse sorgen dafür, dass das Abwasser sauber und nutzbar wieder zurück in den Wasserkreislauf fließen kann. Vorgeschrieben sind niedrige Grenzwerte, engmaschige Selbstüberwachungen der gesamten Anlage und durchgängige Messungen, um die Reinheit des Wassers zu gewährleisten.

Im Würzburger Entwässerungsbetrieb sind etwa 75 Mitarbeiter in Kanalbetrieb und Klärwerk verantwortlich für die Reinigung von etwa 20 Millionen m³ Abwasser für 180.000 Einwohner Würzburgs und 16 Umlandgemeinden wie auch deren Gewerbebetriebe. Ihre zentralen Aufgaben sind Sammeln, Abführen und Reinigen des Abwassers und Klärschlammverwertung und –beseitigung. Chemiker überwachen im Labor des Klärwerks die Qualität des Rohabwassers, die biologische Reinigungsstufe und den Endablauf.

Ständige Überwachung zur Steuerung der Kläranlage Die Grundfrage bei allen Überwachungsprozessen ist, vereinfacht formuliert: Was kommt rein und was kommt wieder raus, wie muss die Anlage für sauberes Wasser optimal gesteuert werden. Dazu wird der Endablauf durchgehend 24 Stunden an 7 Tagen online überwacht. Zusätzlich werden täglich in verschiedenen und zeitlich versetzten Mischproben festgelegte Parameter, wie die organische Belastung, untersucht. Um die Reinigungsleistung zu dokumentieren, muss auch der Zulauf regelmäßig kontrolliert werden. Dabei wird z.B. die Fracht an organischer Belastung, Stickstoff und Phosphat ermittelt, die in der Kläranlage abgebaut werden muss. Weitere zahlreiche Sondermessungen werden durchgeführt, wie es beispielsweise in der Einfahrphase der neuen Schlammfaulung der Fall war oder, wenn in die biologischen oder chemischen Prozesse eingegriffen werden soll, um diese zu optimieren. Ca. drei Mal im Jahr zieht darüber hinaus das Wasserwirtschaftsamt unangemeldet weitere Proben um die Reinigungsleistung und den ordnungsgemäßen Betrieb der Kläranlage zu überprüfen.

Die Untersuchungen geben Aufschluss darüber, ob die Überwachungswerte eingehalten werden und liefern die Grundlage, um die Kläranlage überhaupt steuern zu können. „Die Grenzwerte sind sehr

niedrig“, erklärt Christine Neuland, Leiterin des Kanalbetriebs und des Klärwerks beim EBW. „Phosphat beispielsweise darf den Grenzwert von 0,8 Milligramm pro Liter nicht überschreiten und der Grenzwert wird künftig weiter auf 0,5 gesenkt. Die Steuerung der Kläranlage muss daher ständig der Qualität des einfließenden Abwassers angepasst werden. Das muss rechtzeitig geschehen, nicht erst bei Erreichen der Grenzwerte“, weiß die Chemikerin. In aller Regel werden die Grenzwerte beim Würzburger Entwässerungsbetrieb „tiptop eingehalten“, so Neuland, sogar noch mit Spielraum nach oben. „Man kann sich unter unvorhergesehenen Umständen aber auch schnell den Grenzwerten nähern“, weiß Neuland; zum Beispiel durch belastetes Löschwasser aufgrund eines Großbrandes, bei nicht erlaubter Einleitung größerer Mengen an bioziden Stoffen oder bei nennenswerten Havarien mit Kohlenwasserstoffen. „Auch wenn aufgrund von Starkregenereignissen ein Riesenschwall an Abwasser in kurzer Zeit auf die Anlage einströmt, müssen wir häufiger kontrollieren und die Reinigungsprozesse feinjustieren.“ Oder eben auch in der Halbzeit des oben erwähnten Fußball-WM-Endspiels. Mitarbeiter des Entwässerungsbetriebs sind ständig in Bereitschaft, Tag und Nacht und an Wochenenden und überwachen das Leitsystem. „Wir müssen sofort reagieren, wenn wir unerlaubte Einleitungen feststellen, die unsere Abwasserreinigung gefährden.“ Die Grenzwerte sind in der Entwässerungssatzung festgesetzt, an die sich auch gewerbliche Einleiter des Abwassers halten müssen. Viele Industrie- und Gewerbebetriebe haben Vorbehandlungsanlagen, die von Mitarbeitern des Entwässerungsbetriebs ebenfalls kontrolliert werden. Insgesamt werden ca. 700 „Indirekteinleiter“ in einem Kataster geführt, klassifiziert, beprobt und überwacht. Einige davon sind zu Starkverschmutzern erklärt. Der Kanalbetrieb ist erste Meldestelle für verbotene Einleitungen in das Kanalsystem. Aufgrund des Katasters kann häufig eingegrenzt werden, wer als Verursacher von unerlaubten Abwassereinleitungen in Frage kommen kann. Diese Betriebe werden kontrolliert und im Fall verbotener Einleitungen streng reglementiert.

Von grob bis immer feiner: die Reinigungsprozesse Das in die Kläranlage fließende Abwasser wird über mechanische, biologische und chemische Reinigungsprozesse behandelt. Zunächst werden Grobstoffe wie Abfälle, Lumpen, Papier, Lebensmittel oder die Fanartikel des gegnerischen Fußballclubs, die aus unerfindlichen Gründen in die Kanalisation gelangt sind, in der Rechenanlage entfernt. Das Rechengut wird gewaschen, gepresst, verbrannt. Das vorgereinigte Abwasser kommt zunächst in den belüfteten Sandfang. Hier setzen sich mineralische Bestandteile und Partikel am Boden ab. Fette und Öle schwimmen auf und können an der Oberfläche entfernt werden. In der darauf folgenden Vorklärung lagern sich organische Bestandteile ab, dank langsamer Durchströmung. Diese werden als geruchsintensiver und fäkalienhaltiger Primärschlamm mehrmals täglich abgezogen und in die Schlammfaulung weitergeleitet. In den eiförmigen Faultürmen finden die Abbauprozesse der organischen Bestandteile statt. Dabei entsteht Faulgas, das zu ca. 65% aus Methan besteht und energetisch verwertet wird. Der bei diesem Prozess entstehende ausgefaulte Schlamm wird entwässert und u. a. im Müllheizkraftwerk und der Zementindustrie entsorgt.

Aus Faulgas wird Energie In der Nachklärung wird gereinigtes Abwasser von Schlamm getrennt, ein Teil des Schlamms wird in die Belebungsbecken zurück geführt, um die Konzentration der notwendigen Bakterienmasse aufrecht zu erhalten, die in der biologischen Reinigungsphase eingesetzt wird. Das gereinigte und vom Schlamm getrennte Wasser

fließt in den Main und somit in den Wasserkreislauf zurück. Neben dem Klärschlamm, der thermisch entsorgt wird, produziert die Würzburger Kläranlage Gas. Der monatliche Energiebedarf der Kläranlage beträgt ca. 600.000 kWh, davon könnte eine fünfköpfige Familie über 92 Jahre lang ihr Haus heizen ohne zu frieren. Zu 70 % wird der Energiebedarf der Kläranlage durch die Gasproduktion der Schlammfaulung gedeckt. „Durch die Verarbeitung von Co-Substrat soll die Produktion von Gas und Strom in Zukunft sogar noch gesteigert werden“, kündigt Christine Neuland an.

Empfindliches Gleichgewicht von Mikroorganismen Die biologische Reinigung des Abwassers ist aufgrund des Einsatzes von Mikroorganismen die sensibelste: „In den Belebtbecken bauen Mikroorganismen und Bakterien die Nährstoffe wie Phosphor und Nitrat, aber auch die organischen Verunreinigungen, ab“, erklärt die Diplom-Chemikerin. Notwendig sind Spezialisten an Bakterien, die unter dem feinporigen Einblasen von Sauerstoff aktiv werden. In der biologischen Stufe wird Kohlenstoff zu 97 %, Phosphat zu 94 % und Stickstoff zu 76 % abgebaut. Dazu muss die Struktur des Belebtschlamms jedoch bis ins Detail stimmen und wird im Labor regelmäßig unter dem Mikroskop überprüft. „Das Gleichgewicht der Bakterien ist sehr empfindlich und muss immer kontrolliert werden“, weiß Christine Neuland. „Der ‚Supergau‘ für uns wäre eine nachhaltige Schädigung der biologischen Reinigung oder ein ‚Kippen‘ der Schlammfaulung.“

Schutz der Gewässer Zur Einhaltung der Grenzwerte reicht die biologische Reinigung allein nicht aus. In der chemischen Reinigungsstufe wird Phosphat durch den Einsatz von Eisensalzen entfernt und somit dem Abwasser entzogen. Nur auf diese Weise lässt sich der niedrige Phosphat-Grenzwert sicher einhalten. Die Stickstoffverbindungen werden durch bestimmte Bakterien aufgeschlossen und letztlich zu elementarem Stickstoff abgebaut. Das ist so wichtig, da ein Übermaß an Stickstoff und dessen Verlagerung in empfindliche Ökosysteme gravierende Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. Gelangt Stickstoff in das Grundwasser, ist dies nachteilig für das Trinkwasser. Eine Überversorgung mit Stickstoff führt im Gewässer u.a. zu einem vermehrten Algenwachstum. Das wiederum kann zu erheblichem Sauerstoffmangel und zu lebensfeindlichen Bedingungen für Tiere und Pflanzen führen. Hält sich ein Klärwerk nicht an die vorgegebenen gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte, birgt dies schwerwiegende Risiken für die Umwelt. Die Reinigungsverfahren und die dazu eingesetzte Technik werden daher im Entwässerungsbetriebe ständig verbessert, Energieeffizienz und Anlagensicherheit optimiert, die Abwasserreinigung wird immer ausgeklügelter. Kurzum: Das Klärwerk ist ein High-Tech-Umweltschützer.