WÜRZBURG. Am Mittwochnachmittag fiel der Startschuss für das neue Drogenpräventionsprojekt „Flashback“, das ab November für Schulen im Stadtgebiet Würzburg angeboten wird. Gemeinsam hatten Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Polizeipräsident Gerhard Kallert alle Schulleiterinnen und Schulleiter sowie die Suchtpräventionsbeauftragten der Schulen zu dieser Auftaktveranstaltung ins Würzburger Rathaus eingeladen. Beide betonten, wie sehr ihnen die gute und suchtfreie Entwicklung junger Menschen am Herzen liege.
Jugendliche für das Thema Sucht und Drogen zu sensibilisieren als gemeinsame Aufgabe
Oberbürgermeister Christian Schuchardt betonte in seinem Grußwort, dass es eine gemeinsame Aufgabe sei, Kinder gut für das Leben vorzubereiten und sie durch Liebe, Selbstvertrauen, soziale Kontakte, körperliches und seelisches Wohlbefinden zu befähigen, ihre Bedürfnisse entwicklungsgemäß zu befriedigen. Auch der Umgang mit Konflikten und Problemen ohne auf Suchtmittel ausweichen zu müssen soll mit einer zielgruppengerechten Ansprache erreicht werden. Dabei den Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen und sie für die Themen Cannabis und Sucht zu sensibilisieren sei bei dem Mitmach-Parcours Flashback sehr gelungen. Die einzelnen Stationen haben das Ziel, einem besseren Verständnis von Konsumprozessen zu dienen und letztendlich eine kritische Auseinandersetzung mit der Drogenproblematik aufzuzeigen. „Deshalb war es für die Stadt Würzburg keine Frage, die Kooperation mit der Polizei bei einem Drogenpräventionsprojekt, das sich an alle Schularten richtet, einzugehen. Die Stadt braucht verlässliche Partner – sie braucht Ihr Engagement! Bei „Flashback“ zeigt sich, wie eine gute Kooperation gelingen kann.“
Gründe der Polizei für verstärktes Engagement in der Drogenprävention
„Anlass für das verstärkte gemeinsame Engagement im Bereich der Drogenprävention an Schulen sind einerseits die stark angestiegenen Fallzahlen von konsumierenden Jugendlichen, die mit Drogendelikten bei der Polizei aufgefallen sind“, so der Polizeipräsident in seinem Grußwort. „Besonders Cannabis und die so genannten Legal Highs, also Kräutermischungen und Badesalze, spielen hierbei eine zunehmende Rolle.“
Die Zahlen
Der Polizeipräsident legte dar, dass die Gesamtkriminalität in Unterfranken und andere Deliktsfelder, wie die Gewalt- und Eigentumskriminalität, rückläufig seien. Einzig der starke Anstieg der Rauschgiftdelikte gebe Anlass zur Sorge, besonders bei Jugendlichen. Die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren hat sich in Unterfranken von 214 im Jahr 2008 auf inzwischen 728 im letzten Jahr mehr als verdreifacht. Betrug der Anteil der Jugendlichen an allen Rauschgifttatverdächtigen vor zehn Jahren noch etwa 7 Prozent, so sind es heute mit fast 15 Prozent mehr als doppelt so viele.
Auch Cannabisverstöße von Jugendlichen haben in den letzten fünf Jahren von 1.860 Delikten auf inzwischen knapp 3.100 (plus 66 %) dramatisch zugenommen, obwohl die Polizei ihre Kontrollen nicht verstärkt habe.
Legalisierungsdebatte und wissenschaftliche Erkenntnisse
„Die jungen Leute haben jedoch auch aufgrund der Legalisierungsdebatte den Eindruck, dass der Konsum von Cannabis für sie völlig harmlos ist.“, so Polizeipräsident Gerhard Kallert.
Aber auch die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse der sogenannten CaPRiS-Studie (Cannabis: Potenzial und Risiken) über die Wirkungsweise von Cannabis auf die Gehirnentwicklung von Jugendlichen alarmieren den unterfränkischen Polizeichef: „Die Wahrscheinlichkeit, an Psychosen, Angststörungen oder Depressionen zu erkranken, sei um ein Vielfaches höher, wenn Jugendliche in der Pubertät bereits regelmäßig Cannabis konsumieren.“
Dank an Oberbürgermeister Schuchardt und sein Team
„Aus den genannten drei Gründen ist es an der Zeit“, so Kallert, „die gemeinsamen Anstrengungen im Bereich der Drogenprävention bei Jugendlichen noch stärker zu intensivieren!“ Er sei sehr dankbar, dass Oberbürgermeister Schuchardt bereit ist, mit dem Team vom Fachbereich Jugend und Familie und der Suchtpräventionsfachstelle das Drogenpräventionsprojekt Flashback gemeinsam mit der Polizei auch in Würzburg zu starten. Ursprünglich wurde es beim Landratsamt Schweinfurt entwickelt und gemeinsam mit der dortigen Polizei erstmals durchgeführt. Ziel sei es dabei, Jugendliche an den Schulen zu erreichen, bevor sie erstmals konsumieren und sie durch die verschiedenen Fachleute von Jugend-, Gesundheitsämtern und der Polizei zum Thema „Cannabis und Legal Highs“, aber auch allgemein zum Thema „Sucht“ zu informieren. „Auch mit weiteren unterfränkischen Städten und Landkreisen gibt es derzeit Gespräche und teilweise bereits konkrete Zusagen. Ich bin zuversichtlich, dass wir Flashback auch in anderen Regionen Unterfrankens gemeinsam umsetzen können.“, sagte der Polizeipräsident abschließend.
Fachvortrag mit Hintergrundinformationen
In einem Fachvortrag informierte der Leitende Kriminaldirektor Matthias Weber, Sachgebietsleiter Kriminalitätsbekämpfung beim Polizeipräsidium Unterfranken, zu den bayernweiten Entwicklungen der Rauschgiftkriminalität allgemein sowie der ebenfalls besorgniserregenden Entwicklung an Schulen. Herr Weber verdeutlichte, dass in den letzten Jahren die gemessenen THC–Wirkstoffgehalte in Marihuana und Haschisch stark angestiegen seien. Daher erhöhe sich zum einen das Risiko einer Abhängigkeit und zum anderen seien die körperlichen und psychischen Spätfolgen für Jugendliche bei regelmäßigem Konsum derzeit vollkommen unabsehbar.
Er legte jedoch auch die verschiedenen Interessen, zum Beispiel von Wirtschaftsunternehmen, dar, die bei der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis eine Rolle spielen. Viele Fragen, so Weber, wie die künftige Gewährleistung des Jugendschutzes, die Vergabelizenzen für den Anbau von Cannabis, die Regelungen für die Teilnahme am Straßenverkehr und vieles mehr, würden nicht zu Ende diskutiert und seien derzeit noch völlig ungeklärt.
FreD-Hilfsangebot für Konsumenten in Würzburg
Wichtig sei auch, die Jugendlichen, die bei der Polizei mit einem Drogendelikt aufgefallen sind, nicht ohne entsprechende Hilfsangebote zurückzulassen. Daher vermittelt die Polizei die erstmals auffällig gewordenen Jugendlichen in das Projekt FreD (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten). Hierbei handelt es sich um einen Interventions- und Beratungskurs, der von verschiedenen Suchtberatungsstellen in Unterfranken angeboten wird. Die erfolgreiche Teilnahme kann sich unter Umständen auch positiv auf das Strafverfahren auswirken. Die Jugend- und Drogenberatung der Stadt Würzburg bietet solche Kurse seit dem Frühjahr an. Die Teilnahme ist kostenfrei und auch Freiwillige können sich dorthin wenden
Was ist Flashback?
Flashback ist ein interaktiver Parcours für Jugendliche zwischen 13 und 16 Jahren. Er besteht aus insgesamt vier Stationen, die von verschiedenen Fachkräften aus Jugend- und Gesundheitsamt sowie von Drogenpräventionsbeamten der Polizei betreut werden. Aus verschiedenen Blickwinkeln werden im Parcours Themen wie Drogenaffinität, Resilienz, Suchtentwicklung und strafrechtliche Auswirkungen behandelt.
Kathrin Reinhardt, die das Drogenpräventionsprojekt beim Polizeipräsidium koordiniert, erläuterte die polizeilichen Parcours-Inhalte. Neben Substanzwissen zu Cannabis und Kräutermischungen, werden die körperlichen, psychischen und sozialen Folgen sowie rechtliche Konsequenzen von Drogenkonsum thematisiert. Welche äußerst gefährlichen Inhaltsstoffe in Legal Highs enthalten sind, wurde am Beispiel der „Tüte voller Mist“ veranschaulicht. Hier sind die enthaltenen Kräuterabfälle noch das geringste Übel – im Gegensatz zu synthetischen Cannabinoiden und Felgenreiniger – diese können auch beim Erstkonsum dramatische Gesundheitsfolgen für Jugendliche haben, bis hin zum plötzlichen Herzstillstand.
Stefanie Greß, Mitarbeiterin der Suchtpräventionsfachstelle und zugleich Projektkoordinatorin für Flashback, stellte im Anschluss die weiteren Stationen des Parcours vor. „Was ist Sucht und welche Phasen gibt es?“ Anhand von konkreten Konsumbeispielen, die die Schüler/innen zuordnen sollen, bekommen Sie ein Gefühl für die Komplexität von Sucht. Danach wird das eigene, ganz alltägliche Konsumverhalten reflektiert. Dabei kommt der Frage des „Wozu mache ich das?“ eine Schlüsselfunktion zu und kann Hintergründe auf evtl. problematisches Verhaltens öffnen, bzw. können damit Alternativen, Ressourcen und Schutzfaktoren aufgezeigt werden.
Zuletzt gibt es Tipps für das Verhalten im Drogennotfall und die notwendigen Erstmaßnahmen sowie Informationen zum regionalen Hilfesystem bei Drogenproblemen.
Bildunterschrift: v.l. Gunther Kunze, Fachbereichsleiter Amt für Jugend und Familie (Stadt Würzburg), Ltd. Kriminaldirektor Matthias Weber, Leiter des Sachgebiets Kriminalitätsbekämpfung (Polizeipräsidium Unterfranken), Polizeihauptkommissarin Kathrin Reinhardt, Projektverantwortliche für das Projekt Flashback beim Polizeipräsidium Unterfranken, Polizeipräsident Gerhard Kallert, Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Sozialreferentin Dr. Hülya Düber (Stadt Würzburg), Stefanie Greß, Projektkoordinatorin für Flashback bei der Suchtpräventionsfachstelle der Stadt Würzburg (Evang. Kinder-, Jugend- und Familienhilfe)