Zehn Jahre Würzburger Stammzell-Transplantationszentrum: Innovative Zelltherapien in der Region verankert


Vor zehn Jahren wurde das Zentrum für Stammzelltherapie am Universitätsklinikum Würzburg ins Leben gerufen. Heute zählt es zu den größten Einrichtungen für Stammzelltransplantationen in Deutschland und bietet neben der klassischen Eigen- und Fremdtransplantation viele neuartige Be-handlungswege an.

Die Kinderklinik und die Medizinische Klinik II des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) betreiben seit zehn Jahren ein gemeinsames Zentrum für Transplantationen von Blutstammzellen. Bislang wurden hier über 1.000 Patientinnen und Patienten behandelt. Derzeit führen die Würzburger Experten jährlich rund 280 Stammzell-Therapien an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen durch. Damit rangiert die Einrichtung bundesweit auf Platz zwei hinter Heidelberg.

Gegen Hirntumore und akute Leukämien
Bei Kindern und Jugendlichen liegen die Behandlungsschwerpunkte auf Hirntumoren und Leukämie-Rückfällen. Vor allem die Therapie von Hirntumoren ist quasi ein Alleinstellungsmerkmal des Würzburger Uniklinikums und unterscheidet das Zentrum von ähnlichen Einrichtungen in Erlangen, München oder Tü-bingen. Bei der Versorgung der Erwachsenen liegt das Hauptaugenmerk auf bösartigen Erkrankungen des Lymphsystems sowie des blutbildenden Systems, wie zum Beispiel durch akute Leukämien.

Vor zehn Jahren Neubau auf dem Klinikumsgelände
Vor zehn Jahren wurde das Zentrum für Stammzell-Transplantationen in einem Neubau im Klinikumsgelände an der Josef-Schneider-Straße in Betrieb genommen. Damals verteilten sich seine unterschiedlichen Bereiche auf drei Stockwerke: Stammzelllabor im Untergeschoss, Kinderstation im Erdgeschoss und Erwachsenenstation im ersten Stock. Die Nutzfläche betrug 772 Quadratmeter. Mit dem Start des Zentrums für Innere Medizin an der Oberdürrbacher Straße im Jahr 2009 war auch die Eröffnung einer neue Stammzelltransplantationsstation für Erwachsene verbunden, die die Fläche des gesamten Zentrums für Stammzelltherapie nahezu verdoppelte.

Autologe und allogene Stammzellpräparate
Die bei der Stammzelltherapie eingesetzten Zellen können zum einen aus dem Blut oder dem Knochenmark der Patienten selbst gewonnen werden (autolog). Zum anderen steht der Weg über fremde Stammzellspen-der offen (allogen). Seit einigen Jahren dient auch das Nabelschnurblut von Neugeborenen als Stammzell-quelle.
In aller Regel geht der Stammzelltherapie eine intensive Chemotherapie voraus. Anschließend injizieren die Ärzte die blutbildenden Zellen in den Blutkreislauf des Patienten, von wo aus sie das Knochenmark besie-deln. Dort stellen sie große Mengen an gesunden roten und weißen Blutkörperchen her.
In Deutschland haben sich derzeit mehr als sechs Millionen potenzielle Stammzellspender registrieren und ihr Blut typisieren lassen, weltweit sind es 26 Millionen. Die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Stamm-zellspender zu finden, liegt bundesweit inzwischen bei über 90 Prozent. Sollte sich dennoch kein idealer Spender finden, ist das Labor des Stammzellzentrums in der Lage, suboptimale Spender-Stammzellen unter Reinraumbedingungen aufzubereiten – eine Leistung, die nur sehr wenige Zentren in Deutschland erbringen können.

Aktuelle Forschungsschwerpunkte
Bei manchen Krebsarten verbessert die Stammzelltherapie die Heilungschancen auf über 80 Prozent. Aller-dings dürfen die Risiken von Infektionen, Abstoßungsreaktionen und Krankheitsrückfällen nach wie vor nicht unterschätzt werden. Deshalb müssen die Transplantationsverfahren weiter verbessert werden. Im Zentrum der Forschungsbemühungen steht, die Abwehrleistung des Stammzelltransplantats gegen Tumorzellen und Infektionserreger zu erhöhen. Das Würzburger Stammzellzentrum koordiniert in diesem Zusammenhang nationale und internationale Studien. Dabei geht es zum Beispiel um den Einsatz von aufgearbeiteten Im-munzellen nach nur halbpassender Familienspendertransplantation oder um die Arbeit mit spezifischen Ab-wehrzellen aus dem Blut des Spenders, die gezielt und ohne Nebenwirkungen gegen Viren eingesetzt werden können. In weiteren Impfstudien zur Stärkung der körpereigenen Abwehr gegen Tumorzellen werden Kinder mit Hirntumoren behandelt.
Das im Zentrum integrierte Stammzelllabor ist bemüht, für jeden Patienten die bestmögliche Zellzusammen-setzung zu finden und neue Zellprodukte für klinische Studien nach hohen Qualitätsstandards herzustellen.

Ein langer Weg mit vielen engagierten Persönlichkeiten
Der Weg zum Würzburger Stammzellzentrum begann im Jahr 1994, als an der Medizinischen Poliklinik unter der Leitung von Prof. Klaus Wilms das autologe Stammzell-Transplantationsprogramm startete. In den fol-genden Jahren zeigte sich bei erwachsenen Patienten ein stetig steigender Bedarf für diese Therapie. Den an der Universitäts-Kinderklinik behandelten Patienten mit bösartigen Erkrankungen konnten jedoch weder autologe noch allogene Stammzell-Transplantationen angeboten werden. Für Kinder und Eltern bedeutete dies, dass sie die mehrere Monate dauernde Behandlung weit entfernt vom Wohnort durchführen lassen mussten. Auch die allogen behandelten erwachsenen Patienten mussten in heimatferne Zentren verlegt werden.
Vor diesem Hintergrund entschied sich das Uniklinikum, ein Stammzell-Transplantationszentrum einzurichten, in dem interdisziplinär autologe und allogene Transplantationen für Erwachsene und Kinder durchgeführt werden können. Der im Jahr 1999 berufene Direktor der Kinderklinik, Prof. Christian P. Speer, hatte dieses Ziel bereits in seinen Berufungsverhandlungen mit Nachdruck verfolgt.

Neue Professur für Stammzell-Transplantation in der Kinderheilkunde
Im Oktober 1999 genehmigte das Wissenschaftsministerium den neuen Schwerpunkt „Pädiatrische Stamm-zelltransplantation“. Die Medizinische Fakultät richtete daraufhin eine neue Professur für Stammzell-Transplantation in der Kinderheilkunde ein. Besetzt wurde sie im Jahr 2001 mit Prof. Paul-Gerhardt Schlegel, einem international ausgewiesenen Experten für Transplantationen bei Kindern. Zu diesem Zeitpunkt entschieden Kinderklinik und Medizinische Poliklinik, die Patienten in einem gemeinsamen Gebäude zu ver-sorgen. Dadurch werden Ressourcen gebündelt und es besteht die Möglichkeit, Behandlungsverfahren ge-meinsam weiterzuentwickeln.

Anschubfinanzierung durch beispiellose Spendenaktion
Die Kosten des 7,3 Millionen Euro teuren Neubaus teilten sich das Land Bayern und die Bundesrepublik Deutschland hälftig. Die Finanzierungszusage des Freistaats wurde durch eine außergewöhnliche Spenden-aktion angestoßen. Dabei leistete die von der Würzburger Geschäftsfrau Gabriele Nelkenstock ins Leben gerufene „Aktion Stammzelltherapie“ wesentliche Starthilfe. Ihrer Bürgerbewegung gelang es, in Zusam-menarbeit mit dem Vorstand der Elterninitiative leukämie- und tumorkranker Kinder Würzburg e.V., mit vielen Aktionen über 500.000 Euro (damals über eine Million D-Mark) in der Region zu sammeln. Laut Gabriele Nelkenstock war diese Erfolgsgeschichte nur möglich, weil Bürger und Politiker, namentlich der bayerische Landtagsabgeordnete Manfred Ach, unterstützt durch alle Medien, am gleichen Strang zogen.

Viele Experten tragen zu Leistungsangebot und Renommee bei
Die Berufung von Prof. Hermann Einsele, der seit Dezember 2004 Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II ist, bestätigte die Wichtigkeit, die dem Schwerpunkt Stammzell-Transplantation am Würzburger Uniklinikum beigemessen wird. Prof. Einsele gilt als einer der erfahrensten Experten im Bereich Stammzell-Transplantation in Deutschland.
Die Elterninitiative leukämie- und tumorkranker Kinder Würzburg verstärkte die innovative Ausrichtung des Würzburger Stammzelltherapiezentrums durch die Stiftung einer Forschungsprofessur. Diese Professur ist seit fünf Jahren mit Prof. Matthias Eyrich besetzt, der daran arbeitet, aktuelle Forschungsergebnisse in kli-nisch anwendbare Therapien für die Patienten umzusetzen.
Unter der fachlichen Leitung von Privatdozent Dr. Götz-Ulrich Grigoleit und Prof. Stephan Mielke arbeiten im Bereich Stammzelltherapie bei Erwachsenen derzeit etwa 50 Mitarbeiter aus der Medizinischen Klinik II. Das Zentrum für die Stammzelltransplantation der Erwachsenen machte sich einen internationalen Namen in der Transplantation von alternativen Spenderzellen, wie beispielsweise Nabelschnurblut- und haploidentische Transplantationen, und nimmt bei der manipulierten Zelltherapie eine Spitzenstellung in Deutschland ein.
Im Jahre 2013 wurde das gemeinsame Stammzelltransplantationszentrum nach internationalem Standard zertifiziert.