Ein kleinwenig erinnert die Situation an einen Tierarztbesuch. Nur hilft man hier keinen Lebewesen, vielmehr soll kaputten Dingen wieder neues Leben eingehaucht werden. Im Wartebereich kommen die Besucher ins Gespräch. „Was haben Sie denn mitgebracht? Schlimm?“. Wenn man dann aufgerufen wird, legt man behutsam den „Patienten“ auf den Operationstisch und staunt, welche Tricks, Werkzeuge und Apparaturen den Experten zur Verfügung stehen.
Die 6. Auflage des Würzburger Repaircafés lockte viele hoffnungsvolle Gesichter in die Räume von CoWorking und FabLab (Veitshöchheimer Straße 14). Hoffnungsvoll sind die Besucher weil der Slogan „Wegwerfen?
Denkste!“ des veranstaltenden Netzwerks klar signalisiert: Wir geben Deiner eingerissenen Lieblingsjeans, dem stummen Küchenradio oder dem Fahrrad mit Achter noch eine Chance.
Auch der Autor dieser Zeilen wagte den Selbstversuch und hatte einen Elektrogrill dabei, der sich leider immer dann automatisch abschaltet, wenn die Heizstäbe gera-de erst zu glühen anfangen. Für eine knusprige Bratwurst braucht man so reichlich Geduld. Geduld braucht es auch im Repaircafé. Bei rund 50 Besuchern in vier Stunden sind die Experten in den Bereichen Elektro, Holzarbeiten, Computer, Fahrrad und Nähen natürlich gut ausgelastet. Die Wartezeit versüßt aber ein großes Kuchen-buffet und ganz nebenbei kann und sollte man sich auch mit der Philosophie beschäftigen, die hinter dem Repaircafé steht. Die Nachhaltigkeitsinitiative Transition Town organisiert die spendenbasierte Werkstatt für jedermann zusammen mit den Vereinen Nerd2Nerd, FreiRad und CoWorking, die Lokale Agenda 21 und die Umweltstation der Stadt Würzburg unterstützen das Netzwerk mit Tischen, Werbung und Arbeits-kraft.
„Inzwischen sind wir ein gut eingespieltes Team. Es reicht ein Vortreffen um alles für das Repair-Café abzustimmen“, berichtet Josephine Ersfeld von Transition Town. 30 bis 40 Personen sind jeweils eingebunden. Zentral sind die rund zehn Reparateure und Reparateurinnen.
Daneben braucht es aber natürlich auch Leute für die Anmel-dung, Kuchenspenden, Homepage (http://transition-wuerzburg.de) oder um das anschließende Helferessen zu kochen. Auch ein Begleitprogramm ist im Angebot. Diesmal läuft im Erdgeschoss ein Programm mit Kurzfilmen. Bei einer früheren Auflage gastierte der Kabarettist Andy Sauerwein mit seinem Programm „Reparieren lohnt nicht“. Als hätte er diese Nummer extra für dieses Format geschrieben.
Durch Begleitprogramm, Aushänge und Broschüren senden die Organisationen auch Botschaften, die ihnen wichtig sind. Transition Würzburg gibt es seit 2014, die erste Transition-Town-Initiative wurde 2006 in England von Rob Hopkins gegründet. Ange-sichts der ökologischen Herausforderungen unserer Zeit setzt man auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen und auf ein solidarisches Miteinander in der Nachbarschaft, Region und global. Ausgangspunkt ist stets ein lokales Netzwerk. Die Transition Towns befinden sich aber auch im Austausch untereinander. Urban-Gardening, Food-Sharing, Do-It-Yourself oder Kleidertauschbörsen sind also nicht nur die Schlagworte für kreative Freizeitbeschäftigungen, sondern auch als Statement zu verstehen – gegen Auswüchse der Globalisierung und fragwürdiges Konsumverhalten. Ersfeld wurde durch den Dokumentarfilm „Voices of Transition“ auf die Szene aufmerksam. Der Filmabend in der Kellerperle unter der Stadtmensa rief schnell einige Nachahmer auf den Plan und hier fanden auch die ersten Würzburger Treffen statt. Inzwischen engagieren sich 70 bis 80 Menschen regelmäßig für Transition Würzburg.
Dominik Höfling ist ebenfalls von Anfang an beim Repair-Café dabei. Er kann Nähen und hilft auch bei Elektroproblemen oder Holzarbeiten: „Ideal ist es wenn wir Leuten die Angst davor nehmen, ein Gerät auch einmal selbst aufzuschrauben, um auf Feh-lersuche zu gehen.“ Ansprechen möchte man mit der Veranstaltung den gesamten Querschnitt der Gesellschaft und dieser findet sich auch im Kreis der Aktiven aus „BerufseinsteigerInnen, LebenskünstlerInnen, Berufserfahrenen, Studierenden, Künstlerinnen und vielen mehr“ wie man sich selbst in einem Flyer beschreibt. „Wir verfolgen einen positiven Ansatz und wollen Probleme lösen, nicht nur debattieren oder demonstrieren“, beschreibt Höfling die bunte Szene, die sich inzwischen in zahlreiche Kreise/Projekte aufgliedert. Es gibt beispielsweise eine Verbraucher-Erzeuger-Gemeinschaft, die auf einem Bauernhof mit anpackt.
Im AK Aufstrich stellt jeder ein-mal eine große Portion veganen Brotaufstrich her, so kommen alle Teilnehmer dieses Kreises in den Genuss großer Abwechslung. Und neben dem großen Repair-Café gibt es auch noch das Mini-Repair-Café. Hier ist der Ausgangspunkt eine ausführliche Problembeschreibung in einem Online-Formular. Die Einsatzzeiten der benötigten Experten lassen sich so besser eintakten.
Und wie erging es nun dem Elektrogrill? Das Problem wurde in jedem Fall erkannt. Das Gerät arbeitet mit einem sehr einfachen Bimetall-Schalter, erklärt der geduldige Elektriker Nikolas. Feineinstellungen beispielsweise mittels einer Schraube sind hier nicht vorgesehen, bleibt nur vorsichtiges Biegen mit der Zange im Millimeterbereich und dann jeweils der Testlauf, ob das Gerät nach dem Eingriff noch sicher abschaltet oder durchheizt. Dies bedeutet schweißtreibende Probeläufe.
Das externe Infrarot-Thermometer zeigt bei den zahlreichen Versuchen Werte von über 400 Grad an. Der ultimative Test an der Wurst steht aber noch aus. Im Elektroteam kennt man natürlich die gegenseitigen Spezialgebiete und steckt öfter in der Schicht die Köpfe zusam-men.
Manchmal sind wirklich nur Kleinigkeiten auszubessern, wenn man sie erst einmal gefunden hat. Verschmutze Schalter werden mit Pressluft gesäubert, ein Netzkabel ersetzt oder gebrochene Lötstellen erneuert.
Ein CD-Player und ein Kü-chenradio gehen wieder voll funktionsfähig nach Hause, bei einem Mini-Kühlschrank mit irreführender Temperaturanzeige oder einer Tab-Kaffemaschine mit gebrochenen Dorn gibt es keine schnelle Lösung. Die Vielfalt der Aufgaben macht für die Experten natürlich auch einen Teil des Reizes aus: auch eine Heckenschere mit einem Meter Schnittlänge und ein Benzin-Rasentrimmer fanden schon den Weg ins FabLab. Beide Geräte konnten danach wieder ihren Dienst im Garten antreten.