Volksmusik-Botschafter wandelt auf Metal-Pfaden


Volksmusik-Botschafter wandelt auf Metal-PfadenDass Heinz Georg Kramm alias Heino seit einem halben Jahrhundert auf der Bühne steht und mit rund 50 Millionen verkaufter Tonträger zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Künstlern überhaupt zählt, hält den fast 77-Jährigen nicht davon ab, sich neuen künstlerischen Herausforderungen zu stellen. Am 3. Oktober beginnt seine „Schwarz blüht der Enzian“-Tournee, auf der Heino am 10. Oktober auch in die Würzburger Posthalle kommt. Die besuchte er bereits am Dienstag zu einer Pressekonferenz, die zum gemütlichen Sofa-Plausch wurde.
Wo die Würzburger Posthalle ist, das weiß Heino seit Dienstag, und Würzburg hat er auf dem Weg dahin auch etwas genauer kennen gelernt. Das Navigationsgerät seines Fahrers wollte partout nicht mit den vielen Baustellen der Domstadt klar kommen, weshalb sich die Anreise etwas länger gestaltete.
Der Meister sieht es gelassen. Die Journalisten werden mit auf die Bühne geholt, wo zwei Sofas und ein Kerzenleuchter Gemütlichkeit versprühen, und erleben einen entspannten Heino, der neuerdings mit Lederjacke und Totenkopfring unterwegs ist. Auch auf der Bühne werden bei seinem nächsten Würzburger Konzert die akustische Gitarre der elektrischen weichen, statt Zither und Mundharmonika herrschen stampfende Bässe und polternde Drums im Breitwand-Metalsound, den Heino seinen größten Hits verpasst hat. Heino goes Rammstein, könnte man das Ergebnis nennen, das nicht überall auf Begeisterung stößt. Viele Metal-Fans nehmen dem Volkssänger diesen Ausflug in heavy Gefilde als Parodie übel. Und auch rund um das Vorgängerprojekt „Mit freundlichen Grüßen“, bei dem Heino Rock- und Metal-Songs in seinem typischen Gewand aufnahm, gab es einige Diskussionen. Allerdings auch Schlagzeilen und Presse, und zwar für den Interpreten ebenso wie für die eigentlichen Komponisten.
Heino spricht über die turbulenten Kurswechsel der vergangenen Jahre gelassen und verständnisvoll. Freilich habe er diese Art von Aufmerksamkeit nicht mehr nötig. Jedoch wolle er im hohen Alter und bei immer noch guter Gesundheit nicht zuhause sitzen und seine goldenen Schallplatten betrachten. Seit elf Jahren erhält der einstige Bäcker und Konditor seine Rente in Höhe von 1635 Euro, wie er freimütig erzählt. Davon (und natürlich von den Platten-Millionen) hätten er und Hannelore auch gemütlich leben können. Aber: „Mir ist langweilig, darum probiere ich noch einmal neue Sachen aus“, gibt der Sänger zu verstehen, und man kann es ihm eigentlich gar nicht verübeln. Er wolle nicht warten, wie das bei vielen Kollegen von damals ist, dass das Telefon klingelt und ihm jemand einen Job anbiete. Immer mehr junge Leute würden seit Jahren in seine Konzerte strömen und ihn feiern. Beim Wacken Openair trat er vor zwei Jahren sogar mit Rammstein auf und intonierte deren Stück „Sonne“. Eine tolle Erfahrung sei das für ihn gewesen, die ihn zum Weitermachen angespornt habe.
Seiner Position als Urgestein der Volksmusik, aber auch als ambivalenten Künstler ist sich bewusst. Als er angefangen habe, sei gerade die Beat-Musik angesagt gewesen. „Da kommt einer mit blauen Augen, blonden Haaren, züchtet Schäferhunde und singt Volkslieder. Der muss rechts sein“, hätten einst viele Leute gedacht. Dabei habe er aber lediglich das alte Liedgut erhalten wollen, das ohne ihn heute verschwunden sei. Volkstümliche Interpreten und auch entsprechende Sendungen würde es ohne ihn nicht geben.
Ein Interview mit einem bekannten Künstler kommt derzeit nicht ohne eine Nachfrage zur aktuellen Flüchtlingswelle über Europa aus. Heino kennt die Situation aus eigener Erfahrung: Er sei aus seiner Heimat Düsseldorf mit seiner Mutter am Ende des Zweiten Weltkrieges nach Dresden geflüchtet, weil sein Zuhause zerbombt war. Nach dem Krieg habe seine Familie wieder zurück gemusst, und dann sei die Frage im Raum gestanden, wie man Geld verdiene. Deutschland tue genügend für die ankommenden Flüchtlinge.