Peter C. Ruppert Preis für Konkrete Kunst an Norman Dilworth verliehen


Eine Linie ist eine Linie und ist doch mehr als eine Linie: Als geometrisches Element dient sie Norman Dilworth als Konstruktionsbaustein, aus dem ein Kunstwerk selbstständig erwächst, das Raum und Zeit durchdringt und sich imaginär weiter fort- und fortsetzt. Der Engländer ist der diesjährige Träger des „Peter C. Ruppert Preises für Konkrete Kunst in Europa.“ Oberbürgermeister Christian Schuchardt überreichte Dilworth den mit 15.000 Euro dotierten Preis bei einem Festakt im Museum im Kulturspeicher. Schuchardt würdigte dabei Dilworths „Linie, die aufgrund einer unglaublich komplizierten Konstruktion imaginären Raum schafft.“

Norman Dilworth, so Schuchardt, sei ein konsequenter Vertreter der Konkreten Kunst und seine Werke Beispiele für Grenzen überschreitende Arbeiten. Grenzen überschreitet der 1931 im englischen Wigan, Lancashire, geborene und heute mit seiner Familie im französischen Lille lebende Dilworth, nicht nur in einem Netzwerk von internationalen Künstlern der Konkreten Kunst. Räumliche Grenzen durchstoßen Dilworths endlose Linien oder die „Generations“, deren gleichartige Stäbe oder Balken in alle Richtungen greifen: „My art is about space“, sagt Dilworth. Dilworth ist ein Meister der „abstraction géometrique“, die in seinem Fall ihr Fundament bei Alberto Giacometti (1901-1966), François Morellet (1926-2016, Peter C. Ruppert Preis 2008), Marc-Antoine Laugier (1713-1796) und Lucrez (gest. um 54 v.Chr.) findet. Antike, Klassizismus, Moderne – Dilworth vereint Raum, Zeit, Material: „Giacometti arbeitet mit dem Element und baut Stück für Stück aus einem kleinen Stück Gips eine Skulptur auf. Auch Norman Dilworth arbeitet mit Basiselementen: Seine Linien wandeln sich immer wieder, wachsen zusammen, schaffen in der ständigen Bewegung und selbstständigen Erneuerung Parallelen zur Natur, reflektieren in Progression und Transformation Licht und Raum“, so Kunsthistorikerin und Laudatorin Prof. Dr. Antje von Graevenitz. „Nicht die Vision, nicht die Expression, nicht die Idee sind der Standpunkt, sondern das Wachsen aus dem Werk, das Spielen mit der Entstehung des Kunstwerks unter Einbeziehung des Betrachters. Dilworth schafft neue Realitäten, eine Parallelwelt. Sein Werk ist von großer philosophischer Qualität. Sein Kosmos wächst aus dem Atelier heraus und gibt Antworten in die Zukunft, auf Fragen, die Künstler noch nicht haben. Diese Pluralität der Aussage verhindert, dass wir ärmer werden und immer dasselbe tun“, so Prof. Dr. Dieter Ronte – ein zweiter Laudator für einen Ausnahmekünstler, der in reduzierter Formensprache den Kosmos, Raum, Rhythmus und Zeit neu schreibt.

Norman Dilworth selbst gibt sich sehr bescheiden („Skulpturen herstellen bedeutet, Dinge zusammenzustellen und zu sehen, wie sie passen“) und dankte mehrfach besonders Rosemarie und dem in diesem Jahr verstorbenen Stifter Peter C. Ruppert. „Wie kam ich in diese Situation?“, fragte er sich bei der Preisverleihung. Ein guter Student sei er 1950 gewesen, der in den Genuss eines Auslandsstudienjahres in Paris gekommen war. „Wir dachten, wir wüssten alles über Kunst, aber was ich in Paris sah, war so völlig unterschiedlich, zu allem, was ich vorher kennenlernte.“ Der junge Dilworth hatte angebissen: Die Konkrete Kunst ließ ihn nicht mehr los – und dabei wünscht er sich auch heute ganz einfach nur Reaktionen auf sein Werk. „Ein Lachen ist wunderbar!“

Der Peter C. Ruppert Preis wird seit 2007 alle drei Jahre aus der Stiftung Peter C. Ruppert verliehen. Rosemarie Ruppert, Ehrenbürgerin Würzburgs und Witwe Rupperts, war mit ihrer Familie bei der Preisverleihung anwesend. Die Sammlung Peter C. Ruppert ist einzigartig in Europa. Sie umfasst konkrete Kunst in Europa seit 1945 und wird seit 2002 dem Museum im Kulturspeicher in Würzburg teilweise als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Das Team des Museums im Kulturspeicher „stellt kompetent immer wieder neue Facetten in den Vordergrund“, so Kulturreferent Achim Könneke. Oberbürgermeister Christian Schuchardt: „Wir platzieren uns mit diesem Museum, mit der Sammlung Peter C. Ruppert und dem Ruppert-Preis als einer der Standorte für die Kunst der Moderne und der Gegenwart in der deutschen Museumslandschaft und darüber hinaus – und dafür sind wir dem Ehepaar und nun der hochgeschätzten Sammlerin und Vorsitzenden der Stiftung, unserer Ehrenbürgerin Rosemarie Ruppert sehr dankbar.“