Am 2. August 1944 löste die SS das damals so genannte „Zigeunerlager“ Auschwitz-Birkenau auf: 2.897 Sinti und Roma kamen in der Nacht auf den 3. August in den Gaskammern ums Leben. Etwa 3.000 weitere Lagerinsassen waren zuvor zur Zwangsarbeit in andere Konzentrationslager deportiert worden. Wie jedes Jahr gedachte die Stadt Würzburg auch an diesem 2. August dieser Opfer des NS-Regimes. In Anwesenheit von Vertretern der katholischen, der evangelischen Kirche, der israelitischen Gemeinde und des Verbandes Deutscher Sinti und Roma legten Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake und Silvana Schneeberger für den Landesverband Deutscher Sinti und Roma am Mahnmal am Paradeplatz Kränze zum Gedenken nieder.
Der 2. August 1944 ist zum Symbol für den planmäßig und systematisch durchgeführten Völkermord an den Sinti und Roma geworden. Die Zahl der Opfer wird auf 500.000 geschätzt. Sie starben an Hunger, Seuchen, wurden vergast, fielen Misshandlungen und pseudomedizinischen Experimenten zum Opfer. Unter den Opfern waren 30 namentlich bekannte Sinti aus Würzburg, die deportiert wurden. An der Universitätsklinik wurden nicht nur Zwangssterilisationen und –abtreibungen durchgeführt, sondern auch Menschenversuche – während die Würzburgerinnen und Würzburger wegschauten, davon profitierten oder sogar aktiv mitwirkten. „Wir wissen nur von vier, die überlebt haben“, sagte Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake. „Daher wollen wir heute den gedemütigten, gequälten und getöteten Menschen ihre Würde zurückgeben. Wir wollen den Angehörigen der Opfer unser Mitgefühl zeigen. Aber vor allem wollen wir ein Zeichen setzen, damit heute und in Zukunft nicht wieder Menschen zu Opfern rassistischer Gewalt werden“, mahnte die Bürgermeisterin und erinnerte: „Vorurteile und Ressentiments gegenüber den so genannten Zigeunern waren in der deutschen Gesellschaft schon vor 1933 weit verbreitet, diskriminierende Maßnahmen gab es ebenfalls schon vor 1933. Die NS-Propaganda fiel auf einen fruchtbaren Boden. Der Genozid an den Sinti und Roma wie auch an den Juden zeigt eindringlich, welche furchtbaren Folgen rassistische Vorurteile haben können. Deshalb finde ich es alarmierend, dass laut einer Studie der Universität München aus dem Jahr 2015 eine ‚gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit‘, die sich u. a. gegen Sinti und Roma richtet, in Bayern nach wie vor verbreitet ist. Und es macht mich betroffen, von Sinti und Roma zu hören, dass sie auch heute oft unter Diskriminierung und Ausgrenzung leiden.“
Silvana Schneeberger, Vorstandsmitglied des Verbandes Deutscher Sinti und Roma erinnerte bei der Gedenkstunde an das Leben des Würzburgers Karl Winterstein. „Karl Winterstein hatte im Ersten Weltkrieg als Soldat gedient, und war auch in den Zweiten Weltkrieg eingezogen, bis er 1942 aus ‚rassepolitischen Gründen‘ aus der Wehrmacht entlassen wurde. Er trug noch seine Uniform, als er deportiert wurde und starb am 23. April 1944 im KZ-Auschwitz wie zahlreiche seiner Angehörigen. Die Sinti und Roma wurden Opfer des Holocausts und um Leben, Frieden und persönliches Glück gebracht.“ Rita Prigmore, geborene Winterstein, war bei ihrem ersten Besuch im KZ Auschwitz „sehr erschüttert“, auf den Gedenktafeln die Namen ihrer Familienmitglieder zu lesen: „Aber es war Motivation für mich, überall in Europa zu jungen Leuten zu sprechen. Denn wir alle tragen gemeinsam die Verantwortung, gegen Rassismus zu kämpfen. Geht auf die Ausgeschlossenen zu, damit jeder in Würde leben kann. Ich bin mir sicher, das friedliche Zusammenleben aller Menschen ist möglich. Denn Gott liebt jeden Menschen.“