Seit wenigen Tagen läuft in Kanada die Frauen-WM im Fußball. Mit einem hohen Sieg über die Elfenbeinküste ist die deutsche Nationalmannschaft optimal gestartet. Welche Effekte die Fernsehübertragung der Spiele auf das Publikum haben kann, zeigt eine neue Studie zweier Würzburger Wissenschaftler.
„Eine gigantische Enttäuschung“: So lautete die Schlagzeile vor rund fünf Jahren in der Süddeutschen Zeitung. Obwohl zuvor als haushoher Favorit gehandelt, waren Deutschlands Fußballerinnen bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land mit einem bitteren 0:1 gegen Japan frühzeitig im Viertelfinale ausgeschieden. Dem Entsetzen in Deutschland stand der Jubel in Japan gegenüber.
Wie sich solche Sportereignisse auf die Stimmung und bestimmte Einschätzungen der Zuschauer auswirken, haben damals zwei Wissenschaftler der Universität Würzburg untersucht: Holger Schramm, Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation am Institut für Mensch-Computer-Medien, und sein Mitarbeiter Johannes Knoll. Jetzt haben sie die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Communication Research veröffentlicht, dem derzeit höchst gerankten Journal im Bereich der Medien- und Kommunikationswissenschaft.
Deutliche Effekte bei fußballverrückten Männern
Die zentrale Aussage der Studie fasst Holger Schramm so zusammen: „Das Ergebnis eines angeschauten Fußballspiels beeinflusst die Stimmung und allgemeine Einschätzungen der Zuschauer merklich – allerdings nur bei fußballverrückten Männern, die sich stark mit dem Team identifizieren.“ Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler 180 Fernsehzuschauer jeweils nach einem Sieg und nach einer Niederlage der deutschen Nationalmannschaft während der Frauenfußball-WM 2011 einen Online-Fragebogen ausfüllen lassen. Dabei sollten die Teilnehmer sowohl Angaben zu ihrer aktuellen Stimmung machen als auch Aussagen treffen beispielsweise über ihr Selbstwertgefühl, ihre ökonomische Situation und ihre Zufriedenheit mit der Arbeit ihrer Regierung.
Wie erwartet, waren Fernsehzuschauer, die den Sieg der Frauen-Nationalmannschaft im zweiten Spiel der Vorrunde gesehen hatten, nach dem Spiel besser gelaunt als davor. Umgekehrt sank die Stimmung bei den Zuschauern, die die Niederlage im Viertelfinale gesehen hatten – allerdings nicht auf eine signifikante Art und Weise. Aus diesem Grund konzentrierten sich die Wissenschaftler bei der Auswertung der Daten nur noch auf das gewonnene Spiel. Dabei zeigte sich: Nur Männer, die sich moderat bis stark mit dem deutschen Team identifizierten, zeigten nach dem Sieg eine Veränderung ihrer Stimmung.
Frauen allgemein und Männer, die sich nur wenig mit dem deutschen Team identifizierten, zeigten hingegen kaum Stimmungsveränderungen.
Frauen sind am Wettkampf interessiert, Männer am Ergebnis
„Wir führen diesen Unterschied zwischen den Geschlechtern darauf zurück, dass Männer stärker an Wettbewerb und am Ergebnis solcher Wettkämpfe interessiert sind als Frauen“, erklärt Holger Schramm. Frauen könnten sich demnach zwar genauso stark mit „ihren“ Teams identifizieren und diese anfeuern wie Männer; am Ausgang dieses Wettkampfs seien sie jedoch in der Regel weniger interessiert.
Und weil sich Männer – zumindest bislang – mit der Nationalmannschaft der Männer deutlich stärker identifizieren als mit dem Team der Frauen, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass diese Effekte bei Sportturnieren mit männlicher Beteiligung noch deutlich höher ausfallen könnten.
Gute Stimmung wirkt sich auf andere Urteile aus
Ähnlich fiel das Ergebnis aus bei der Untersuchung weitergehender Effekte des Vorrunden-Siegs, etwa auf das Selbstvertrauen, das Urteil über die persönliche ökonomische Situation und die Zufriedenheit mit der Regierung. Auch in diesen Punkten erwiesen sich nur männliche Zuschauer, die sich moderat bis stark mit „ihrem“ Team identifizierten, als beeinflussbar. Männer, die besonders intensiv mit den deutschen Frauen mitfieberten, hatten nach dem Sieg ein höheres Selbstbewusstsein, sie bewerteten ihre ökonomische Situation besser und waren mit der Arbeit ihrer Regierung deutlich zufriedener als noch vor Spielbeginn. Dieser Effekt hielt sogar über drei Tage hinweg an. Kein Einfluss zeigte sich wiederum bei Männern, die sich kaum bis gar nicht mit dem deutschen Team identifizierten, und bei Frauen.
Der Schluss, ein deutscher Sieg im Fußball garantiert der Bundesregierung gute Noten, ist nach Aussage der Wissenschaftler allerdings nur indirekt gültig: „Die Einschätzung von Menschen gegenüber ökonomischen und politischen Aspekten basiert im Wesentlichen auf ihrer aktuellen Stimmung“, erklärt Holger Schramm. Allerdings könne diese Stimmung durch Sportereignisse merklich beeinflusst werden. So gesehen, sei es durchaus sinnvoll, wenn Politiker und andere Entscheidungsträger die Nähe zu großen Sportereignissen suchen in der Hoffnung, einige der positiven Aspekte auf ihre Person und ihre Ideen zu übertragen.
Effects of Women’s Football Broadcastings on Viewers’ Moods and Judgments: Investigating the Moderating Role of Team Identification and Sex. Holger Schramm and Johannes Knoll, Communication Research, DOI: 10.1177/0093650215583894