Firmenbesuche am Heuchelhof: Einblicke beim Glasspezialisten Rothkegel und bei einer Main Post im steten Wandel


Was mit einer gemeinsamen Standortbroschüre begann und auf der Mainfranken Messe konsequent fortgesetzt wurde, bestimmt nun auch die Philosophie der Firmenbesuche: Stadtverwaltung und Landratsamt sind in Sachen Wirtschaftsförderung gemeinsam unterwegs. Eine Delegation um den stellvertretenden Landrat Ernst Joßberger und Oberbürgermeister Christian Schuchardt besichtigte nun zusammen mit dem Würzburger Wirtschaftsbeirats und Vertretern der Hochschulen sowie der Wirtschaftskammern- und Verbände zwei für die gesamte Region bedeutende Unternehmen am Heuchelhof. Unternehmen, die unterschiedlicher wohl kaum sein könnten: Auf der einen Seite das Medienhaus Main Post mit über 1000 Mitarbeitern. Die Belegschaft in Redaktion oder Logistik auf Tempo, Tagesaktualität und eine digitalisierte Welt eingeschworen. Auf der anderen Seite mit der GLR Rothkegel GmbH ein kleines Expertenteam, das beispielsweise bei der Restaurierung von Kirchenfenstern alte Handwerkskunst pflegt und in vielen Arbeitsschritten mit dem Blick für feinste Unterschiede Produkte entwickelt, die ganz physisch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte Bestand haben sollen.

 

2005 übernahm Matthias Rothkegel, das traditionsreiche Familienunternehmen. Im nächsten Jahr wird man auf 140 Jahre Firmengeschichte zurückblicken. Schon 1880 trug die in Schlesien gegründete Glaswerkstätte diesen Namen. Der Firmenchef führte die Delegation persönlich durch den Betrieb und beeindruckte zunächst bei einer Präsentation mit zahlreichen Referenzen, die entweder der Glasgestaltung, der Restaurierung oder der Leuchtenmanufaktur zugeordnet werden können. Letzterer Geschäftszweig kam 1978 hinzu und bescherte Aufträge für das Völkerkundemuseum in München, das Theater in Ulm und zahlreiche Sakralbauten. Während die Leuchten Kunstwerke oder Räume in Szene setzen, oder generalüberholt viel Energie einsparen, sind die Glasgestaltungen für Künstler wie Curd Lessig oder Restaurierungen alter Kirchenfenster zum Beispiel im Ulmer Münster selbst absolute Hingucker. Die Farben bleiben durch viel Know-how – beispielsweise auf dem Feld des UV-Schutzes – lange echt und strahlend.

 

Das 17-köpfige Team in Würzburg sowie eine eigenständige Niederlassung in Österreich setzen auf individuelle Lösungen für anspruchsvolle Kunden. „Große Stückzahlen über 200 Leuchten machen für uns in der Regel keinen Sinn“, bescheinigte Manuela Weißenberger, leitende Objektberaterin in Würzbuerg und Mitgesellschafterin in Österreich. „Wir kommen eher bei kniffligen Sonderaufträgen zum Zuge. Bei uns steht das Objekt im Mittelpunkt, das restauriert oder für eine einmalige Umgebung gestaltet werden soll“, ergänzt Rothkegel, der auch Vorsitzender des Verschönerungsvereins ist. Die Mitarbeiter sind angesichts dieses Anforderungsprofils hochqualifiziert. Petra Ulrich ist beispielsweise nicht nur Glasmalermeisterin, sondern auch studierte Restaurateurin. Sie schätzt, dass in Deutschland kaum 100 Berufstätige eine derart spezielle Nische abdecken dürften. Hinzu kommen weitere Kompetenzen des Betriebs: sei es in der Metallverarbeitung, beim Sandstrahlen oder rund um den Groß-Ofen. Die Spezialanfertigung, welche Gläser unterschiedlicher Zulieferer individuell verschmelzen und veredeln kann, sucht in der Region ihresgleichen. Ein großer Ofen ist für außergewöhnlich große Fenster oder Formate natürlich eine elementare Grundvoraussetzung und zugleich ein Symbol für die Kundenorientiertheit des Betriebs. Denn zunächst war die Aufgabenstellung und dafür brauchte es dann das passende Werkzeug.

 

Große Maschinen konnte die Delegation auch im Druckhaus der Main Post bestaunen. Seit Februar ist hier eine der modernsten „Rotationen“ Europas in Betrieb. Die Koenig und Bauer der neuesten Generation bedruckt am Tag eine Papierbahn, die von Würzburg bis Rom reichen würde. Bis zu 70.000 Zeitungen können in der Stunde vom Band laufen. Geschäftsführer David Brandstätter stellte mit einem großen Team die neuesten Entwicklungen im Medienhaus vor. Bei seiner Präsentation sprach er offen über die täglichen Herausforderungen, wenn es darum geht, den steten Auflagenrückgang bei der Tageszeitung – ein wohl unumkehrbarer Trend der gesamten Branche – durch neue Geschäftsfelder zu kompensieren. Weil „die Marke Main Post“ heute auch für Produkte wie die Kickers-App, den Internetauftritt der Uniklinik oder den Transport von bis zu einer halben Millionen Briefen am Tag durch Main-PostLogistik steht, ist die Zahl der Mitarbeiter zuletzt wieder gestiegen. Im Haus habe man laut Brandstätter die eigenen Kernkompetenzen und Stärken, die auch in Zukunft gefragt sein werden, herausgearbeitet. Im Zeitalter der Digitalisierung bietet man den Kunden ein breites Portfolio an Produkten und Dienstleistungen an. Mit der Mediengruppe Pressedruck in Augsburg, habe man seit 2011 einen Eigentümer, der eine große Entscheidungsgewalt in der Region gelassen habe. Zudem sei es möglich gewesen bisher unzureichende Expertise (beispielsweise im Bereich Social Media) extern einzukaufen, um sich so breiter aufzustellen.

 

Schuchardt würdigte nach Brandstätters Vortrag den seit den ersten Verkauf an die Holtzbrink-Gruppe eingeschlagenen Weg: „Nicht ist so beständig wie der Wandel! Dies könnte auch der passende Sinnspruch für die hochdynamische Firmengeschichte der Main Post sein. Es ist beeindruckend, wie breit sich das Haus zwischenzeitlich aufgestellt hat“ Auch Josberger attestierte eine „Strahlkraft für die gesamten Region“ und der frühere Chefredakteur Brandstätter pflichtete bei: „Stimmt, wir verkaufen mehr Abos im Landkreis als in der Stadt!“ Die Delegation erhielt beim Firmenbesuch nicht nur einen fundierten Einblick ins Druckhaus, die Logistik oder die neue Content-Agentur MainKonzept, sondern auch in die verbindende und verbindliche Unternehmensphilosophie. So erfuhr man beispielsweise, dass der Geschäftsführer in den letzten beiden Jahrzehnten bereits 76 Werterunden mit neuen MitarbeiterInnen absolviert hat. Das heißt konkret, dass rund 800 neue Kräfte das Leitbild des Unternehmens an einem gemeinsamen Tag vom Chef ganz persönlich vermittelt bekamen. Dieser persönliche Austausch zwischen Unternehmens-Chef und einfachem Mitarbeiter erinnert dann vielleicht doch wieder an die „kurzen Wege“ im Familienunternehmen Rothkegel.