Einflugschneise bei der Umweltstation


Bevor es zu den Bienenstöcken geht, treffen die Schülerinnen und Schüler des Deutschhaus-Gymnasiums die nötigen Sicherheitsmaßnahmen.
In der Umweltstation verläuft das schon ganz routiniert. Die Sechst- und Siebtklässler schlüpfen in die weißen Schutzanzüge mit integrierten Hüten und blicken fortan durch große Netz-Öffnungen. Fast ist es, als hätte die Gruppe nun selbst Facettenaugen. Zwei Mädchen müssen kichern.
Bis zum Gürtel sind sie nun – auch durch Handschuhe – perfekt geschützt.
Am Morgen hatten sie bei vorhergesagten 30 Grad aber natürlich kurze Hosen angezogen und nicht an die Bienen gedacht. Imkermeister Christian Peter mahnt zur Vorsicht, er selbst hat aber inzwischen jede Angst vor den fleißigen, aber mit Stacheln bewaffneten, Insekten verloren und langt mit bloßer Hand in die tierische Honig-Produktionsanlage.

In der Unterrichtsstunde lassen sich die Bienen durch kaum etwas aus der Ruhe bringen. Selbst beim Öffnen der Stöcke bleiben die Völker gelassen und nutzen den sonnigen Tag zum beständigen Füllen der Speicher. Eine Königin kann die Projektgruppe aus nächster Nähe betrachten. „Wer hat sie schon entdeckt? Ihr erkennt sie am langen Hinterleib“, Imker Peter hat im braun-gelben Gewimmel stets den Überblick und teilt seinen riesigen Erfahrungsschatz, den er mit seiner Imkerei in Leinach gesammelt hat, gerne mit den potentiellen Nachwuchsimkern. Die Schüler von Biolehrer Christian Metz lauschen gespannt, können inzwischen aber auch viele Fragen wie selbstverständlich beantworten und naschen zwischendurch auch vom Honig und Nektar und geben fachkundige Kommentare ab: „Schmeckt ein bisschen wie Taubnesseln!“ Die Bienen erdulden auch dieses Stibitzen ohne sich gegen das gute Dutzend Zweibeiner zu wehren.

In der Überzahl wären sie ja. Ein Bienenvolk kann aus 40.000 bis 50.000 Tieren bestehen. Fünf unterschiedlich stark bevölkerte Stöcke stehen aktuell auf der Bastion oberhalb der Umwelt-Station und somit auch in direkter Nachbarschaft des Deutschhaus-Gymnasiums. Dort besteht bereits seit 2010 die Möglichkeit sich im verpflichtenden Projektunterricht ein halbes Schuljahr und somit sehr intensiv mit Bienen und der Honigproduktion zu beschäftigen. Das Interesse am Unterricht im Grünen ist ungebrochen. Rund 100 Schüler wurden bislang zu jungen Bienenexperten ausgebildet, berichtet Anja Knieper, Leiterin der
Umweltstation: „Sie begleiten die Bienen von den ersten Flügen im Frühling, sind beim Schleudern des Honigs dabei und kümmern sich dann auch noch um den Verkauf der eigenen Produktion und gestalten sogar die Etiketten der Honiggläser selbst“.

Der Nachmittagsunterricht ist wöchentlich und von einer Woche zur nächsten tut sich auch eine ganze Menge. Das stellt als Erster Jonas aus der 6c fest. Die Stöcke sind durch ein Gitter in zwei Bereiche unterteilt. Unten schlüpft der Nachwuchs, hier legt die Königin bis zu 2000 Eier am Tag. In den Kästen oben werden hingegen nur Vorräte angelegt. Der Imker bittet den Schüler, die eine Woche zuvor eingesetzte Kiste noch einmal anzuheben. Dies klappt nur mit einer großen
Kraftanstrengung: „Bis zu 20 Kilogramm Honig lagern die Bienen pro Kasten ein. Sie nutzen hierfür eine unglaublich stabile Wabenstruktur aus Wachs. Aus nur 80 Gramm Wachs bauen die Bienen eine robuste Verpackung für zwei Kilo Honig. Diese Bastelarbeit übersteht im Normalfall auch das Schleudern in der großen Edelstahl Zentrifuge unbeschadet.“ Bis zu einem Kilogramm Wachs verbauen die Bienen an der Bastion in einer Saison.

Beeindruckende Zahlen insbesondere, wenn man diese auf die kleinen Tierchen um-rechnet: Gerade einmal rund 0,1 Gramm bringt eine Arbeiterbiene auf die Waage. Entsprechend schützen, beispielsweise wenn es zum Ausschwärmen einer Königin aus einem Stock kommt, gleich Zehntausende Bienen „ihre Hoheit“ und bilden an einem Ast hängend eine bis zu zwei Kilogramm schwere, summende Traube.

Das Wissen, das die Schüler im Rahmen des Projekts sammeln ist breitgefächert. Natürlich interessiert nicht nur das fertige Produkt, der Honig, die Kinder erfahren auch die elementare Bedeutung der Insekten für das Ökosystem. In bis zu drei Kilometer Entfernung vom Stock saugen Bienen Nektar und bestäuben ganz nebenbei die Blüten von Bäumen und Pflanzen durch die eingesammelten Pollen an Beinen und Körper. Im Fall der Umweltstation kann man davon ausgehen, dass die Bienen keine allzu großen Flugstrecken zurücklegen müssen, um auf ein großes Nahrungs-angebot zu stoßen. Direkt unterhalb der Bastion beginnt das ehemalige Landesgartenschaugelände und daran schließen sich bis zur Festung Streuobstwiesen und zahlreiche Kleingärten an. „Bienen fliegen nicht weiter als sie müssen, weil sie sonst selbst zu viel Treibstoff verbrauchen würden und nicht mehr genug abliefern könnten“, weiß der
Imkermeister: „Der Honig von hier hat aufgrund der Pflanzen in der Umgebung auch einen ganz anderen Geschmack als beispielsweise bei mir zu Hause in Leinach.“ Die Kinder sind beim Test sehr angetan von dieser speziellen, süßen Mischung. Einige sind durch das Projekt richtig auf den Geschmack gekommen und essen Honig nun auch bewusster und können ihren Familien sogar noch erzählen, welche Arbeit hinter dem goldenen Frühstücksklassiker steckt. Auch bei der Umwelterlebniswoche werden die Projektschüler selbst zu Lehrern und berichten jüngeren Grundschülern am Honigstand von den Nachmittagen in der Bienen-Einflugschneise. Ein sinnvolles Schulprojekt, das womöglich auch einen kleinen Beitrag leisten kann, die Nachwuchssorgen der Imkervereine zu reduzieren, zu dieser Einschätzung kam auch das Bayerische Umweltministerium, das zu Beginn eine Anschubfinanzierung gewährte.