Blick auf den Wirtschaftsstandort Mwanza Welche Potentiale hat die Rock City?


Ein runder Geburtstag bietet immer auch die Chance für einen Rück- und Ausblick. Seit Ende der Neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat die Städtepartnerschaft zwischen Mwanza und Würzburg insbesondere in den Bereichen Soziales, Kultur oder Medizin gehörig Fahrt aufgenommen. Man arbeitet heute gemeinsam an einer Vielzahl nachhaltiger Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit. Bei der Bürgerreise zum 50-jährigen Bestehen besichtigten die Gäste aus Würzburg entsprechend Schulen, Kinderheime, medizinische Einrichtungen oder öffentliche Sportplätze; die Delegation interessierte aber auch eine generelle Analyse des Wirtschaftsstandorts Mwanza. Wo liegen Potentiale? Welche Herausforderungen müssen aktuell in der zweitgrößten Stadt Tansanias angegangen werden? Wie kommen die beiden Städte hierbei womöglich zusammen?

Betrieben wurde diese Analyse zuvorderst von IHK-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Ralf Jahn, der die Delegation um Oberbürgermeister Christian Schuchardt begleitete und ein Treffen mit der Tanzania Chamber of Commerce, Industry and Agriculture (TCCIA) vor Ort organisiert hatte.
Während die Industrie- und Handelskammer in Würzburg eine Institution mit 127 Mitarbeitern ist und in ganz Mainfranken rund 64.000 Mitgliedsunternehmen betreut, ist das Pendant in Mwanza noch im wahrsten Sinne des Wortes eine Kammer: ein kleines Büro im zweiten Stock eines unscheinbaren Bürogebäudes der Kenyatta Road 21 im Zentrum der Stadt.
Die Gäste aus Würzburg finden hier nur mit Mühe Platz. Von hier aus kümmern sich Hassan Karambi und seine zwei Mitarbeiter um 850 meist kleine oder Kleinst-unternehmen aus den sieben Distrikten der Region
Mwanza: Einzelhändler, Großhändler, Landwirte, Viehzüchter, Spediteure, Hoteliers oder Fischer.

Die auch aus dem benachbarten Ausland (Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi und der Demokratischen Republik Kongo) gut erreichbare Region erwirtschaftet etwa 9 % des Bruttoinlandsprodukts Tansanias.
Landwirtschaft, die Verarbeitung von Agrarprodukten, Fischfang oder auch die Produktion von Tierhäuten bildet die Basis der Wirtschaft. Der Dienstleistungs-Sektor gewinnt aber zunehmend an Bedeutung.
Entspre-chend entstehen gerade im Zentrum Mwanzas neue Banken, Büros oder auch moderne Shopping-Center. Alleine die Zahl der Banken stieg in den letzten zehn Jahren von 8 auf 18. Große Hotels und Restaurants befinden sich ebenfalls in zentraler Lage oder am Ufer des Viktoria-Sees. Auch Ihre Zahl steigt kontinuierlich. Der Tourismus ist bereits ein Standbein und soll unweit der weltberühmten Serengeti und mit dem weniger bekannten Saanane Island National Park direkt vor der Haustüre weiter ausgebaut werden. Das im Jahr 2012 erbaute Malaika Beach Resort beherbergte nun beispielsweise die Teilnehmer der Bürgerreise äußerst komfortabel. Die auf eine Felsformation gebettete Hotelanlage mit 32 Suiten, großer Grünanlage und Pool war sicher eine der bedeutenderen Bausachen der vergangenen Jahre in Mwanza beziehungsweise im Nachbardistrikt Ilemela. Die Zahl der Bauanträge schnellte in Mwanza von 441 (2010/11) auf 806 (2014/15 – Haushaltsjahre beginnen in der Jahresmitte). Für Investoren stehen große Gewerbeflächen bereit. In der Summe bietet die Stadt derzeit rund 260 Hektar, verteilt auf 16 große Areale, für unterschiedlichste Vorhaben an – große Entwicklungsmöglichkeiten, aber natürlich auch große Herausforderungen, wenn man bedenkt, dass dies beispielsweise zweimal der Fläche der ehemaligen Leighton Barracks am Hubland entspricht.

Ein weiterer wichtiger Indikator für die Anziehungskraft der Metropole ist der Verkehr beziehungsweise die Pendlerströme. In der Kernstadt wird die Einwohnerzahl 2015 auf rund 420.000 geschätzt. Die Zahl der Menschen, die tagsüber hier zur Schule gehen, arbeiten oder einkaufen ist jedoch ungleich höher. Auf rund 700.000 schätzt die Stadt die Zahl der Pendler, die täglich aus der Region mit fast drei Millionen Ein-wohnern in die Metropole kommen. In fünf Jahren hat allein der Busverkehr um rund 80 % zugelegt – eine große Beanspruchung für die
545 Kilometer Straße im Stadtge-biet, der Großteil davon (rund 70%) ist noch nicht asphaltiert. Entsprechende Baustellen prägen derzeit vielerorts das Straßenbild und lassen auf weitere Lückenschlüsse hoffen.
Die Besuchergruppe erlebte aber gerade in den Abendstunden einige zähe Staus.

Mwanza gilt seit Jahren als eine der am schnellsten wachsenden Städte Ostafrikas. Zur Zeit der Gründung der Städtepartnerschaft 1966 war Würzburg noch die deutlich größere der beiden Städte. 1948 war Mwanza mit rund 7.000 Einwohnern gar noch ein recht überschaubarer Fischerort.
Etwa ab den 80er Jahren folgten dann Jahrzehnte, die jeweils rund 100.000 neue Einwohner in die Stadt am Viktoria-See brachten. Mit aktuell rund 3 % Bevölkerungswachstum jährlich hat sich dieser Trend leicht abgeschwächt, sämtliche Investitionen in Infrastruktur müssen diesem enormen Tempo aber dennoch erst einmal Stand halten. Dies ist ein generelles Problem in Tansania. Aufgrund des großen Bevölkerungswachstums, kommen auch volkswirtschaftliche Kenngrößen wie das Pro-Kopf-Einkommen nicht vom Fleck. Hier zählt das Land 2015 mit Rang 192 noch immer zu den ärmsten der Welt. Rein rechnerisch kommen auf jeden Bürger Tansanias 2.900 US-Dollar Wirtschaftskraft. In Deutschland sind es 47.000 US-Dollar. Nur etwas besser ist die Positionierung beim Human Development Index der UN. Dieser berücksichtigt beispielsweise auch die Lebenserwartung und Bildungsdauer und sieht Tansania auf Rang 151.

Das Büro des Stadtdirektors präsentierte der Delegation im Rathaus ebenfalls Stärken und Schwächen des Standorts Mwanza. Um nur die wichtigsten Herausforderungen wiederzugeben: Nur ein Anteil von rund 65% des Abfalls landet auf den offiziel-len Müllhalden, vielerorts sind kleine offene Feuer die Alternative. Die Stadtverwaltung hat zudem berechnet, dass fast 1.300 Klassenzimmer im Grundschulbereich fehlen, um einen optimalen Unterricht zu gewährleisten. Die hohe Zahl erklärt sich auch durch eine Altersstruktur in Tansania, die mit der deutschen kaum vergleichbar ist. Zwei Drittel der Bevölkerung sind unter 25 Jahre! Auch die durchschnittliche Haushaltsgröße von 4,7 (zum Vergleich: 1,7 in
Würzburg) belegt, dass viel mehr Kinder untergebracht werden müssen – zu Hause wie in der Schule. Das Problem ist erkannt, doch die angespannte Haushaltslage lasse im Moment nur den Bau von 50 neuen Klassenzimmern im Jahr zu.

Gibt es nun Möglichkeiten von Würzburg aus die Wirtschaft Mwanzas anzukurbeln, oder die Infrastruktur zu verbessern? Sicher nur im bescheidenen Umfang und idealerweise wie bei der Klimapartnerschaft im Rahmen von Bundesprogrammen. Über die Förderung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung berichteten anlässlich des Jubiläums auch die Tageszeitungen in Mwanza ausführlich. Diese Projekte bedeuten aber keinen kontinuierlichen Zufluss von Finanzmitteln, sondern haben eher Pilotcharakter und zielen darauf ab, vor Ort Nachahmer zu finden, die sehen, dass man beispielsweise mit Photovoltaikanlagen – neben vielen positiven Aspekten für die Umwelt – mittel- und langfristig auch Geld verdienen kann.

Daneben findet Prof. Jahn insbesondere Projekte aussichtsreich, die ohne großen zeitlichen Vorlauf, bei überschaubaren unternehmerischen Risiken, Expertise ins Land bringen. Bei seinem Amtskollegen Karambi warb er beispielsweise für das Würzburger Startup-Unternehmen Green Spin. Diese haben Mofato entwickelt. Die Kurzform steht für Modern Farmer Tool. Mithilfe von Big-Data-Analysen anhand von Wetterdaten, Erträgen oder auch Satellitenbildern ließen sich auch kleine Felder effektiver bewirtschaften, weil ein feines Raster genaue Empfehlungen zu
Wasser- oder Düngemitteleinsatz gibt. Eine Kooperation würde erst einmal keine Ländergren-zen kennen. Es müsste keine teure oder sensible Technik nach Tansania verschifft werden und Firmenvertreter müssten auch nicht unbedingt vor Ort sein, weil der Zugriff auf die hilfreichen Daten online erfolgt.