Für ihr Simulationszentrum hat die Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie des Uniklinikums Würzburg in diesem Jahr neue Hochtechnologie-Patientensimulatoren angeschafft, mit denen sich Routine- wie auch Notfallsituationen realitätsnah nachstellen lassen. Für Studierende, Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte aller Weiterbildungsstufen werden so potenzielle Fehlerquellen erlebbar – und das ohne Patientengefährdung.
Als eines der ersten Krankenhäuser in Deutschland betreibt das Uniklinikum Würzburg (UKW) an seiner Klinik für Anästhesiologie schon seit den 1990er Jahren ein Simulationszentrum. Gefördert von Seiten des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst und dem Uniklinikum Würzburg wurde die Schulungs- und Trainingseinrichtung jetzt ein weiteres Mal auf den aktuellsten Technologiestand gebracht. „Zu diesem Update zählen zwei Full-Scale-Simulatoren der neuesten Generation sowie eine neue Audio- und Videoanlage“, schildert Dr. Oliver Happel. Der Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie leitet das Simulationszentrum. Er erläutert: „Full-Scale-Simulatoren sind lebensgroße Nachbildungen des menschlichen Körpers – wir sprechen hier auch von Mannequins. Computergestützt und verbunden mit einer aufwändigen technischen Apparatur reagiert das Mannequin auf diverse klinische Eingriffe wie ein echter Patient.“ Das bedeutet zum Beispiel, dass die künstlichen Pupillen auf Licht reagieren. Und noch viel komplexer: Die beiden Mannequins in Kinder- und Erwachsengröße verfügen über eine Lungensimulation, bei dem die Maschine eigenständig auf die Zusammensetzung der eingesaugten, also „eingeatmeten“ Luft reagiert. Außerdem „atmet“ der Kunstmensch auch tatsächlich ein Gasgemisch aus, das in seiner Zusammensetzung der Ausatemluft eines Menschen entspricht. „Daher können wir auch mit Narkose- und Intensivbeatmungsgeräten trainieren – inklusive des Einsatzes von volatilen Anästhetika“, sagt Dr. Happel. Die ausfeilten Patientensimulatoren und die realistische Umgebung lassen nach seinen Beobachtungen viele Nutzerinnen und Nutzer schnell vergessen, dass sie hier nicht mit einem Menschen aus Fleisch und Blut agieren.
Rund 20 Minuten auf dem „Heißen Stuhl“
Geschult werden im Simulationszentrum sowohl Medizinstudierende und Pflegekräfte, wie auch Ärztinnen und Ärzte aller Weiterbildungsstufen. Bei den rund 20-minütigen Trainingssessions wird meistens von einem Dreier-Team – bestehend aus einer/einem jüngeren Anästhesistin/Anästhesisten, einer/einem erfahrenen Kollegin oder Kollegen sowie einer Anästhesie-Pflegekraft – absolviert. Je nach gewähltem Setting füllen auch noch Statisten die der Realität nachempfundene Trainingsumgebung, zum Beispiel als operatives Team. Alle Handlungen der Teilnehmer/innen und ihre Kommunikation während der Session wird von mehreren im Raum verteilten Videokameras und Mikrofonen aufgezeichnet. In einem angrenzenden Kontrollraum, hinter einem verspiegelten Fenster, beobachten die Instruktoren die Abläufe und markieren Schlüsselmomente in den auf mehreren Bildschirmen angezeigten Videoaufzeichnungen. Außerdem haben sie die Möglichkeit, den Verlauf des ansonsten programmiert ablaufenden Szenarios zu beeinflussen.
Menschliche Limitationen erkennen
„Wir bieten hier in erster Linie ein sogenanntes Soft Skills- oder auch Human-Factors-Training an“, berichtet Dr. Happel und erläutert: „Dabei sollen die Kolleginnen und Kollegen unmittelbar erfahren, wo typische menschliche Limitationen und die daraus folgenden Fehlermöglichkeiten liegen. Hierzu zählen zum Beispiel unzureichende Kommunikation oder mangelndes Situationsbewusstsein.“
Nach dem Szenario findet in einem benachbarten Seminarraum ein ausführliches Debriefing statt. Unterstützt von den Video- und Audioaufzeichnungen diskutieren die Teilnehmer/innen untereinander und mit den Instruktoren bis zu einer Stunde lang die Schlüsselmomente und Abläufe der erlebten Situation. Dabei werden nicht nur fehlerhafte, sondern auch vorbildliche Handlungsweisen des Teams reflektiert.
„Durch den Austausch mit anderen Universitätsklinika wissen wir, dass wir im bundesweiten Vergleich eine sehr hohe Auslastung unseres Simulationszentrums fahren“, berichtet Prof. Dr. Patrick Meybohm. Der Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie des UKW fährt fort: „Den damit verbundenen hohen technischen, räumlichen und personellen Aufwand leisten wir gerne, denn Simulation ist aus unserer Sicht ein unverzichtbares Element der modernen klinischen Aus- und Weiterbildung sowie ein essentieller Beitrag zur Patientensicherheit.“