Uniklinikum Würzburg fordert Nachbesserungen im Entwurf des Krankenhausstrukturgesetzes


Tritt das Krankenhausstrukturgesetz so in Kraft, wie es jetzt als Entwurf vorliegt, drohen den Krankenhäusern in Deutschland – allen voran den Universitätsklinika – massive Budgetkürzungen. Das Uniklinikum Würzburg schätzt seine von den unfairen Regelungen des Gesetzentwurfs hervorgerufenen jährlichen Einbußen auf etwa 17 Millionen Euro.

Die Umgestaltung der Kliniklandschaft ist seit Jahren eine der Großbaustellen des deutschen Gesundheitswesens. In diesem Zusammenhang soll das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) die Krankenhausversorgung und -finanzierung reformieren. Jetzt liegt ein Entwurf vor, der noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. „Eine Reihe von Regelungen des KHSG sind dazu geeignet, den Universitätsklinika praktisch von seinem Inkrafttreten an drastische Verluste zu bescheren“, kritisiert Anja Simon. Die Kaufmännische Direktorin des Uniklinikums Würzburg (UKW) schätzt, dass diese Einbußen für ihr Haus in einer Größenordnung von jährlich 17 Millionen Euro liegen werden. „Auch wenn wir in den letzten Jahren erfreulicherweise noch zu den wenigen Universitätsklinika in Deutschland mit einer positiven Bilanz zählten, würde uns dieses Geld natürlich schmerzlich in der Patientenversorgung fehlen“, verdeutlicht Prof. Christoph Reiners, der Ärztliche Direktor des UKW. Deshalb müsse der Gesetzentwurf an mehreren Stellen erheblich verbessert werden.

Zu wenig Geld für Extremkostenfälle
Zum Beispiel bei den Regelungen zu den Extremkostenfällen: „Als Krankenhaus der Maximalversorgung behandeln wir mehr Patienten mit hochkomplexen Erkrankungen als die meisten anderen Krankenhäuser. Im Jahr 2014 versorgten wir rund 4000 solche überdurchschnittlich aufwändige Fälle. Die als Durchschnittspreise kalkulierten Fallpauschalen reichen nicht immer aus, um diese oft teuren Behandlungswege zu finanzieren“, schildert Anja Simon. In Summe fehlen den Uniklinika in Deutschland dadurch pro Jahr gut 100 Millionen Euro. Deshalb schlugen sie im Entstehungsprozess des Gesetzes ergänzend zu den Fallpauschalen einen Zuschlag vor, der diese Finanzierungslücke schließen soll. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe lehnte diesen Vorschlag ab – er setzt weiter auf Anpassungen bei den Fallpauschalen. Anja Simon: „Das Problem wird dadurch nicht gelöst, sondern einfach nur fortgeschrieben. So zeigt der jetzt im Entwurf vorliegende DRG-Katalog 2016 eine Vergütungsabsenkung, die speziell die Häuser der Maximalversorgung treffen wird.“

Kein Mengenrabatt bei steigenden Patientenzahlen!
Ein weiteres Problem steckt sich hinter dem Stichwort „Fixkostendegressionsabschlag“. Die Uniklinika in Deutschland versorgen immer mehr Patienten, zum Beispiel in den stationären Notaufnahmen oder in auf bestimmte Krankheiten hochspezialisierten Zentren. Auch das Uniklinikum Würzburg unterhält zahlreiche solche Hochleistungszentren, wie das Comprehensive Cancer Center Mainfranken, das Zentrum für Seltene Erkrankungen oder das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz. Eine Reihe der UKW-Zentren bietet zudem eine Notfallversorgung in Netzwerken an – wie das Traumazentrum im Trauma-Netzwerk, das Herzzentrum im Herzinfarkt-Netzwerk, das Schlaganfallzentrum im Netzwerk Transit Stroke und das Strahlenunfallzentrum im Netzwerk der Regionalen Strahlenschutz-Zentren der Berufsgenossenschaft. „Obwohl die Krankenkassen wie auch die gesundheitspolitisch Verantwortlichen diese Konzentration von Kompetenzen und die regionale Vernetzung wünschen, müssen wir dafür bezahlen, dass unsere Patientenzahlen wachsen“, führt Prof. Reiners aus. „Für jeden zusätzlichen Behandlungsfall müssen wir Abschläge von den Leistungsentgelten hinnehmen.“ Dieser durch die unterstellten Fixkosten-Effekte nicht zu rechtfertigende „Mengenrabatt“ soll mit der Krankenhausreform nun massiv erhöht werden. Für die Versorgung sei das laut dem Ärztlichen Direktor kontraproduktiv: Statt die medizinisch sinnvolle Bündelung von Notfallversorgung und spezialisierten Leistungen zu fördern, müssten Zentren künftig den Krankenkassen unzumutbar hohe Zwangsrabatte geben, wenn sie zusätzliche Patienten behandeln. „Als auch wirtschaftlich verantwortliche ‚Gesundheitsunternehmen‘ müssten wir auf diese drohende Situation mit budgetbedingten Rationierungen unserer Leistungen reagieren, wie sie die Patienten ja schon seit Jahren aus dem Bereich der niedergelassenen Ärzte kennen. Eine Folge davon wären dann zum Beispiel verlängerte Wartezeiten bei aufschiebbare Behandlungen“, skizziert die Kaufmännische Direktorin.

Auch gute Ansätze – aber mit angezogener Handbremse
Während die genannten und weitere Budgetkürzungen schnell greifen werden, werden andere, vom Grundsatz her durchaus positive Regelungen des KHSG nur sehr zögerlich aus den Startlöchern kommen. Beispielsweise soll Qualität in Zukunft verstärkt als Instrument der Krankenhausfinanzierung herangezogen werden. Besonders gute Leistungen sollen dann über Zuschläge besser vergütet werden. „Nur wie und wann diese und weitere, an sich gute Maßnahmen tatsächlich die wirtschaftliche Situation der Uniklinika verbessern werden, ist nicht abzusehen“, betont die Kaufmännische Direktorin des UKW. Denn der Gesetzgeber hat die Umsetzung der Maßnahmen an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) delegiert. „Da der G-BA eine gemeinsame Einrichtung aller Leistungsanbieter ist, also von Krankenkassen, Krankenhäusern und Niedergelassenen, bedarf es vermutlich eines langwierigen Abstimmungsprozess, um einen Konsens herzustellen. Statt des G-BA sollte besser das Bundesgesundheitsministerium nach Anhörung der einzelnen Leistungsanbieter die Entscheidungen zur Umsetzung der Gesetzesvorgaben treffen“, schlägt Anja Simon vor.

Kosten-Erlös-Schere bleibt offen
Die fehlerhaften Finanzierungsideen des KHSG sind nicht nur für die bestmögliche Patientenversorgung das falsche Signal. Auch für die Beschäftigten des Uniklinikums Würzburgs – wie auch der anderen deutschen Krankenhäuser – sind die Budgetkürzungen ein Schritt in die falsche Richtung. Prof. Reiners erläutert: „Das größte Problem der Krankenhausfinanzierung ist die Kosten-Erlös-Schere. Seit Jahren steigen die Entgelte für Krankenhausleistungen langsamer als die Tariflöhne. Um das auszugleichen, mussten und müssen die Krankenhäuser von Jahr zu Jahr noch effizienter werden. Über weitere Arbeitsverdichtungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das nicht zu leisten, hier wurde in den letzten Jahren die Belastungsgrenze erreicht.“

Nachbessern, um Finanzierungslücken doch noch zu schließen
Die weiteren Beratungen in Bundestag und Bundesrat sowie der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens stehen noch für diesen Herbst an. Laut Plan soll das KHSG dann zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. „Wir hoffen, dass es durch entsprechende Nachbesserungen noch gelingt, die geschilderten, für das UKW und alle anderen deutschen Uniklinika hochproblematischen Finanzierungslücken zu schließen“, sind sich Anja Simon und Prof. Reiners einig.