Kunstgeschichte mit vielen Facetten


Malerei, Architektur, Fotografie und Film: Eckhard Leuschner, neuer Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte, vertritt ein sehr facettenreiches Fach. Entsprechend beschäftigt er sich mit vielfältigen Themen – unter anderem mit einem Würzburger Pionier der Fotografie.
Kunstgeschichte? Viele Leute denken da nur an Michelangelo und Raffael, an Rembrandt und van Gogh – an die „alten Meister“ eben. Auf diesem Gebiet liegt auch ein Arbeitsschwerpunkt von Professor Eckhard Leuschner. Doch der neue Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an der Universität Würzburg befasst sich genauso mit der Moderne und der Gegenwart.
Leuschner fasst zudem die Inhalte seines Fachs relativ weit: „Zur Kunstgeschichte gehören auch Fotografie und Film“, sagt der 49-Jährige, der zum Wintersemester 2014/15 von Erfurt nach Würzburg gewechselt ist. Berührungspunkte findet er auch mit der Kunstpädagogik – etwa wenn er der Frage nachgeht, wie heutzutage die Zeichenlehre in Schulen vermittelt wird.

Kunstwerke hinterfragen und vermitteln
Der neue Professor analysiert Kunst aus dem 15. bis zum 21. Jahrhundert speziell auf der Bedeutungsebene: „Was wollen uns die Werke sagen, was erfahren wir von ihnen über die jeweiligen politischen, gesellschaftlichen oder kulturellen Umstände?“ Diese Informationen aus Bildern, Skulpturen und anderen Objekten herauszulesen, ist eine der Fertigkeiten, die Leuschner den Studierenden beibringen will.
Die Vermittlung von Kunstgeschichte für ein Laienpublikum ist ein weiterer Punkt, den Leuschner in der Lehre für wichtig hält. Das universitätseigene Martin-von-Wagner-Museum sei dafür sehr wichtig. Dort können die Studierenden an Originalwerken arbeiten und sie dem Publikum bei Ausstellungen oder Führungen erklären. Solche Aktivitäten will Leuschner künftig noch stärker ins Studium einbinden. „Durch das Museum sind wir in einer sehr glücklichen Lage“, sagt er, „denn kaum eine andere deutsche Universität vergleichbarer Größe verfügt über eine derart breit sortierte und große Kunstsammlung, wie sie uns hier zur Verfügung steht.“
Dauthendey, ein Pionier der Fotografie
Eines von Leuschners aktuellen „Lieblingsprojekten“ hat engen Bezug zu Würzburg: „Ich möchte zum 200. Geburtstag des Fotografen Carl Albert Dauthendey im Jahr 2019 eine große Ausstellung organisieren.“ Der Mechaniker und Optiker Carl Albert Dauthendey (1819-1896) war einer der ersten Fotografen in Deutschland. Er kam um 1860 nach Würzburg und betrieb hier rund 30 Jahre lang ein Fotoatelier. Sein Sohn Max wurde über Würzburg hinaus als Schriftsteller bekannt.
Das Leben und die Werke von Carl Albert Dauthendey dürften eine spannende Ausstellung hergeben. Bevor er nach Würzburg kam, war er 20 Jahre lang in St. Petersburg tätig. In dieser Zeit lichtete er unter anderem die gesamte Zarenfamilie ab, um aus den Fotos ein Geburtstagsalbum für Nikolaus I. zu schaffen. Auch in Würzburg fotografierte Dauthendey sehr eifrig; unter seinen „Objekten“ waren viele Professoren und Studenten. So bildet sein Schaffen auch ein Stück Universitätsgeschichte ab.
Muskelmänner und Zwerge in der Architektur
Mit der Architekturhistorikerin Sabine Frommel von der Universität Sorbonne (Paris) plant Leuschner derzeit ein ganz anders geartetes Projekt: Es dreht sich um menschenförmige Stützelemente in der Architektur. Häufig wurden dafür Atlanten verwendet – muskulöse Männerfiguren, die zum Beispiel das Gebälk eines Gebäudes auf den Schultern tragen.
Wie sind solche architektonischen Gestaltungselemente entstanden, wofür sind sie gut? Wie haben Künstler und Architekten sie im Lauf der Zeit aufgegriffen und damit gespielt? Das sind Fragen, die in dem Projekt geklärt werden sollen. „Solche Stützen werden bis heute realisiert“, sagt Leuschner, „an der Fassade der Walt-Disney-Zentrale in den USA wurde das zum Beispiel mit den sieben Zwergen gemacht.“ Auch die Würzburger Residenz sei mit Stützfiguren sehr gut bestückt.
Lebenslauf von Eckhard Leuschner
Eckhard Leuschner, 1966 in Oldenburg geboren, hat Kunstgeschichte, Latein und Altgriechisch an der Universität Heidelberg, der Universität Wien und der Rijksuniversiteit Leiden studiert. 1993 legte er in Heidelberg das Staatsexamen für die Fächer Altgriechisch und Latein ab.
Eine Laufbahn als Schullehrer schlug er dann aber nicht ein: „Ich habe gemerkt, dass ich die Illustrationen zu Ovid spannender finde als die Texte.“ Also blieb Leuschner an der Uni Heidelberg und promovierte dort in Kunstgeschichte. Als Postdoc ging er zwei Jahre an die Bibliotheca Hertziana, das Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom. 1999 wechselte Leuschner als wissenschaftlicher Assistent an den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Passau. Dort habilitierte er sich 2003 für mittlere und neuere Kunstgeschichte.
Internationale Erfahrungen als Kunsthistoriker sammelte er unter anderem bei Aufenthalten am Metropolitan Museum of Art in New York, als Visiting Scholar an der Western Michigan University in Kalamazoo und als Gastwissenschaftler am Kunsthistorischen Institut Florenz, einer Einrichtung der Max-Planck-Gesellschaft.
Von 2011 bis 2014 hatte Leuschner schließlich die Professur für Kunstgeschichte/Kunsttheorie an der Universität Erfurt inne. Von dort folgte er zum Wintersemester 2014/15 dem Ruf an die Universität Würzburg. Hier tritt er die Nachfolge des langjährigen Lehrstuhlinhabers (1987-2013) Professor Stefan Kummer an, der inzwischen im Ruhestand ist