Kreative Ideen für Sehbehinderte


Mit einer speziellen App können auch Menschen mit Sehbehinderung die Texte auf einem Tablet-Computer gut lesen. Entwickelt wurde sie im Studiengang Mensch-Computer-Systeme an der Uni Würzburg. Dort sind weitere kreative Ideen für Sehbehinderte in Arbeit.

Die Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen sollen in der Informationstechnologie besser berücksichtigt werden: Darauf zielt eine Kooperation zwischen dem Berufsförderungswerk Würzburg (BFW) und dem Institut für Mensch-Computer-Medien der Universität ab. Das BFW ist ein Bildungszentrum für Menschen mit Seheinschränkung.

Wie die Kooperation aussieht? Studierende können in Seminaren oder Abschlussarbeiten IT-Konzepte entwickeln, die Menschen mit Sehbehinderungen den Alltag erleichtern. Damit sie nicht an den Bedürfnissen der Nutzer vorbei arbeiten, werden diese in die Entwicklungsarbeit eingebunden. Die entsprechenden Kontakte werden beim BFW geknüpft.

„Unsere Studierenden können sich dort aus erster Hand über das Handicap ‚schlecht sehen‘ und die damit verbundenen Herausforderungen informieren“, sagt Dozent Robert Tscharn, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für psychologische Ergonomie. Die enge Zusammenarbeit bringe den Studierenden auch die Erfahrung, wie schnell Berührungsängste zu Menschen mit Behinderung verschwinden können.

Lupen- und Fernglas-App programmiert
Student Michael Überschär zum Beispiel hat in seiner Bachelor-Arbeit in Kooperation mit dem BFW die barrierefreie Lupen- und Fernglas-App „Yris“ programmiert. Sie ermöglicht es sehbehinderten Menschen, Texte auf dem iPad zu vergrößern und Filter darüber zu legen. Dadurch werden die Informationen besser lesbar. Die App unterstützt die Nutzer auch mit Hilfsmitteln wie Positionsanzeigern und Lesezeichen.

„Ein tolles Ergebnis und ein schöner Meilenstein in der Zusammenarbeit zwischen dem BFW und der Universität Würzburg“, findet Enrico Göbel, IT-Lehrer am Berufsförderungswerk. Doch die jungen Leute aus dem Studiengang Mensch-Computer-Systeme haben noch mehr Ideen auf Lager. Einige davon stellten sie Ende Januar bei der Abschlusspräsentation ihres Projektseminars „Accessability & Inclusive Design“ im BFW vor.

Orientierung in Gebäuden und an Haltestellen
Was sich die 14 Studierenden in dem Seminar so ausgedacht haben? Unter anderem ein Indoor-Navigationssystem fürs Smartphone, das Sehbehinderten zum Beispiel bei der Orientierung in großen Ämtergebäuden hilft. Es beruht auf der Technologie iBeacon: Mehrere kleine Sender sind im Raum oder im Gebäude platziert, ihre Signale werden von einer App registriert und weiterverarbeitet – zum Beispiel zu einer sprachgesteuerten Navigationshilfe: „Zu Raum 19 bitte noch 20 Schritte gehen, dann in den Flur links abbiegen und noch zehn Schritte gehen“: So könnte eine Ansage vom Smartphone lauten, die einem sehbehinderten Nutzer den Weg weist.

Ein anderes Team befasste sich mit Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr, besonders an Haltestellen. „In Interviews mit den Sehbehinderten hat sich gezeigt, dass es zum Beispiel ein großes Problem ist, wenn an einer Haltestelle mehrere Straßenbahnen hintereinander stehen“, erklärt Tscharn. Welche davon ist die Linie eins, welche die vier? Auch dieses Problem gingen die Studierenden mit Hilfe der iBeacon-Technologie an, um Sehbehinderte per Smartphone zum richtigen Bus zu lotsen.

Konzepte erarbeitet, nicht Produkte
„Die Studierenden haben im Seminar an einem Design-Prozess gearbeitet, der mit Konzepten endet, nicht mit fertigen Produkten“, so Dozent Robert Tscharn. Das bedeutet aber nicht zwingend das „Aus“ für die neuen Konzepte: „Ich bin überzeugt, dass wir die ein oder andere Idee im Sinne unserer blinden und sehbehinderten Teilnehmer weiter unterstützen und vorantreiben werden“, so BFW-Geschäftsführer Christoph Wutz. Zudem wolle man aufgrund der positiven Erfahrungen die Zusammenarbeit mit der Universität weiter ausbauen.