Ein Leuchtstoff für Rezeptoren


Wissenschaftler der Universität Würzburg arbeiten an einem Verfahren, das die Entwicklung neuer Medikamente erleichtern soll. Den Weg vom Labor zum kommerziell verwertbaren Produkt unterstützt der Bund mit knapp 1,3 Millionen Euro.

Dass ein Staatssekretär einen Förderbescheid über knapp 1,3 Millionen Euro persönlich vorbeibringt, kommt nicht alle Tage vor. Im Rudolf-Virchow-Zentrum der Universität Würzburg war dies jetzt der Fall: Stefan Müller, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, überreichte Professor Martin Lohse, Vizepräsident der Uni und Sprecher des Rudolf-Virchow-Zentrums, im Rahmen eines kleinen Festakts symbolisch den Bescheid. Das Geld kommt aus dem VIP-Projekt des Bundesforschungsministeriums und geht an ein Ausgründungsvorhaben mit dem Namen OptiMAR.

Das VIP-Projekt
VIP steht in diesem Fall nicht für eine very important person. Hinter dem Kürzel verbirgt sich vielmehr die Fördermaßnahme „Validierung des Innovationspotenzials wissenschaftlicher Forschung“ des Ministeriums. Ziel des Programms ist es, „Innovationslücken zwischen akademischer Forschung und wirtschaftlicher Anwendung zu schließen und so das deutsche Innovationssystem zu stärken“, wie es auf der Homepage des Forschungsministeriums heißt. Wissenschaftler sollen damit noch stärker motiviert werden, „ihre Forschungsergebnisse auf eine wirtschaftliche Verwertbarkeit zu prüfen und bis zur Umsetzung in Innovationen systematisch durchzuführen“.

Was unter OptiMAR zu verstehen ist, erläuterte Martin Lohse in einem kurzen Vortrag. Ausgeschrieben bedeutet die Abkürzung „Optische Messung der Aktivität von Rezeptoren“. Dahinter verbirgt sich eine Technik, die vor allem bei der Entwicklung neuer Medikamente hilfreich sein kann. Rund 50.000 Arzneimittel sind aktuell in Deutschland zugelassen, so Lohse. Diese entfalten im menschlichen Körper an 435 Orten ihre Wirkung, von denen 193 Rezeptoren sind. Von diesen wiederum gehören 82 zur Klasse der sogenannten G-Protein-gekoppelten-Rezeptoren, kurz GPCRs. Auf sie konzentriert sich das Interesse der Würzburger Forscher.

Verschiebungen im Rezeptormolekül
„779 Gene für GPCRs sind beim Menschen bekannt. Von diesen werden bislang elf Prozent als Angriffspunkt für Arzneimittel genutzt. Es gibt also noch viel Spielraum für die Entwicklung weiterer Medikamente“, so Lohse. Wird solch ein Rezeptor durch einen Wirkstoff aktiviert, zeigt sich das in marginalen Veränderungen. Es kommt dann innerhalb des Rezeptormoleküls zu Verschiebungen, die sich in der Größenordnung von wenigen Nanometern bewegen – also milliardsten Bruchteilen eines Meters.

Solche Verschiebungen mit Hilfe von Fluoreszenzmarkern sichtbar zu machen, ist das Ziel von OptiMAR. Die Idee hat sich die Universität Würzburg bereits vor einigen Jahren patentieren lassen – in Deutschland, Europa und den USA. Nun geht es um die Frage, ob sich diese Idee tatsächlich kommerziell verwerten lässt. Nach Lohses Worten habe die Uni bereits eine Reihe von Firmen gewonnen, die sich an der Entwicklung eines solchen Produkts beteiligen wollen. „Wir wissen nicht, was das Ergebnis sein wird. Wir sind aber sehr zuversichtlich“, sagte Lohse. Mit dem Geld aus Berlin ist es nun möglich, die ersten Schritte in Angriff zu nehmen.

„Freundliche Übernahme“ einer Ausgründung
Dass dieses Geld gut investiert ist, erläuterte anschließend Professor Roland Jahns, Direktor der nationalen Biobank Würzburg und Projektleiter am Deutschen Zentrum für Herzinsuffiziens, das seinen Sitz ebenfalls in Würzburg hat.

Jahns und Lohse hatten vor einigen Jahren gemeinsam mit Kollegen und ebenfalls mit Unterstützung aus dem Bundesforschungsministerium ein Medikament entwickelt, das Menschen mit einer Herzschwäche zu einem längeren Leben verhelfen soll. Die Wissenschaftler hatten entdeckt, dass bei einer Reihe von Patienten nach einem Herzinfarkt Antikörper an Rezeptoren der Herzmuskelzellen andocken und diese aktivieren. In einer Langzeitstudie zeigte sich, dass Patienten, in deren Blut die Antikörper nachweisbar waren, deutlich früher an den Folgen einer fortschreitenden Herzschwäche starben als Mitglieder einer Vergleichsgruppe, die keine Antikörper besaßen.

In der Folge entwickelten die Forscher einen Wirkstoff, der das Andocken der Antikörper an den Rezeptoren verhinderte – mit durchschlagendem Erfolg. Die Substanz erwies sich nämlich nicht nur im Experiment als überaus wirksam und in ersten klinischen Studien als verträglich. „Es kam dann, was unweigerlich kommen muss, wenn man die klinische Phase I überstanden hat“, so Roland Jahns. Ein großer Pharmakonzern wurde auf die Würzburger Ausgründung Corimmun aufmerksam und übernahm sie. Mit erfreulichen Konsequenzen für den Bundeshaushalt: „Die öffentliche Hand hat das 20-fache dessen zurückbekommen, was sie investiert hatte“, so Jahns.

Lob vom Staatssekretär
Dass das Geld in Würzburg gut angelegt ist, bestätigte auch Stefan Müller: „Würzburg ist in der medizinischen Forschung sehr gut aufgestellt; nicht nur bayernweit, sondern auch im deutschlandweiten Vergleich.“ Das zeige auch OptiMAR – ein „spannendes Projekt“, wie der Staatssekretär sagte. Er sei sich sicher, dass es dazu beitragen werde, den Wissenschaftsstandort Würzburg weiter voranzubringen.