Brückenbauen zwischen den Kulturen: 60 Jahre Partnerschaft Würzburg – Caen


Unzählige Parallelen in der Geschichte verbinden Caen mit Würzburg:
Beide sind Studentenstädte, beide wurden im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, beide besitzen im Zentrum ein Schloss oder eine Festung, um nur wenige aufzuzeigen. Und beide Städte werden durch eine seit 60 Jahren andauernde Partnerschaft verbunden: 1962, gerade einmal 17 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, besiegelten Würzburg und die in der Normandie liegende Stadt Caen ihre Partnerschaft.

„Die Partnerschaft mit Caen ist unsere älteste“, sagte denn auch Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt beim Empfang anlässlich des 60-jährigen Jubiläums in der Partnerstadt Caen. Erste Verbindungen zwischen beiden Städten entstanden bereits 1957, als Professor Erich Oetheimer die normannische Stadt besuchte. Als dann am 13. Mai 1962 der Partnerschaftsvertrag zwischen beiden Städten unterschrieben wurde, hatten bereits zahlreiche Gruppen die jeweils andere Stadt besucht.

„Die Städtepartnerschaft zwischen Caen und Würzburg ist nach dem Krieg entstanden, um ehemalige Feinde zu versöhnen, einander anzunähern, sich über Sprachen, Kulturen, Religionen kennenzulernen und Verständigung und gegenseitige Solidarität zu erreichen und damit den Grundstein für ein friedliches Miteinander für die Zukunft zu legen,“ betonte Schuchardt. Dieser Austausch zwischen Partnerstädten ermögliche es den Bürgern, ihren Horizont zu erweitern, die Schönheit der Städte zu entdecken und vor allem voneinander zu lernen.

„Nach dem Zweiten Weltkrieg waren wir mit dem Aufbau dieser Partnerschaft Pioniere“, unterstrich Caens Bürgermeister Joël Bruneau Schuchardts Botschaft. Zumal Frankreich und Deutschland über Jahrhunderte verfeindet waren und Krieg gegeneinander geführt haben.
Würzburg und Caen seien dabei zwei Städte, so Bruneau, die während des Zweiten Weltkrieges sehr gelitten haben und die es trotzdem geschafft haben, eine enge Partnerschaft aufzubauen: „Dies ist gerade in heutigen Zeiten sehr wichtig.“

„Partnerstädte sind dafür da, Brücken zwischen unseren Kulturen und Lebensweisen aufzubauen. Partnerstädte sind auch dafür da, ein Europa der Bürger zu schaffen“, ergänzte Gérard Limare, Präsident der Association Caennaise pour la connaissance de l’Allemagne (ACCA), dem französischen Gegenstück zu Würzburger deutsch-französischen Gesellschaft. Partnerstädte seien aber auch ein Symbol für die Freundschafts-, Friedens- und Humanismus-Werte, so Limare, gerade vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine.

Einen Tag zuvor hatte die Würzburger Delegation das Mémorial in Caen, in dem nicht nur die Geschehnisse um die Befreiung Caens nach der Invasion 1944 dokumentiert sind, sondern auch der politische Weg in den Zweiten Weltkrieg in Europa wie auch im Pazifik sowie das Leid, dass der Krieg über alle Länder gebracht hat. Die vielen Zeitzeugenberichte oder auch persönlichen Schicksale, die in der Ausstellung zu sehen sind, erinnerten manchen an die eigene Familiengeschichte, wo man oft nicht über die Erlebnisse der Eltern oder Großeltern sprach, die selbst oft den Krieg als Soldaten, Flüchtling oder als Ausgebombte erlebt hatten.
„Gerade in aktuellen Zeiten haben Völkerverständigung und Städtepartnerschaften eine ganz besondere Rolle,“ erklärte Oberbürgermeister Christian Schuchardt bei dem Besuch des Mémorial im Hinblick auf den aktuellen Krieg in der Ukraine.

Insgesamt eine Woche besuchte die Würzburger Gruppe Caen wie auch die die Partnerstadt umgebende Region Normandie, machte Ausflüge an die Invasionsstrände oder zu dem in der Nähe liegenden Mont St. Michel.

Doch vor allem die Partnerstadt Caen erkundeten die Würzburgerinnen und Würzburger genauer. So zum Beispiel la Colline aux Oiseaux, ein Park am Rande des Universitätsgeländes, in dem unter anderem für die Partnerstädte eigene kleine, regionaltypische Gärten angelegt sind.
So ist beispielsweise der Garten der Stadt Würzburg nicht nur mit einem Fachwerkhaus versehen, sondern verfügt auch über einen eigenen Weinberg.

Die Pflege für den insgesamt 17 Hektar großen Park, der auf einer bis
1972 betriebenen Mülldeponie errichtet wurde, hat das Gartenamt der Stadt Caen übernommen. Diese pflegen auch die rund 600 Rosenstöcke, die in einem Rondell angelegt sind, oder das Labyrinth. Bei der Pflege der Pflanzen haben die Gärtner Unterstützung: Mit Hilfe von extra gezüchteten Marienkäfern, die die Blattläuse und anderes Ungeziefer vertilgen, kommt das Gartenamt ganz ohne Hilfe von Pestiziden aus.

Neben Parkanlagen erkundeten die Würzburgerinnen und Würzburger auch die Innenstadt, machten einen Abstecher ins Rathaus sowie die an das Rathaus angebaute Kirche der Abbaye aux Hommes, in der viele Einwohner Caens während des Zweiten Weltkriegs Zuflucht und Unterschlupf gesucht hatten. Eine kleine Ausstellung zeugt von dieser Zeit wie auch den Beschädigungen, die Caen während des Krieges erlitten hatte.

Während eines Spazierganges lernten die Besucherinnen und Besucher dann die Altstadt ihrer Partnerstadt mit den vielen kleinen Studentenkneipen, das Künstlerviertel mit seinen Antiquariaten sowie schließlich mit der Burg Caens eine weitere Parallelität zu Würzburg kennen. Diese Burg ist nicht nur das Wahrzeichen der Stadt, sondern hier lebte auch Wilhelm der Eroberer, was noch sein altes Palais bezeugt.

Ein Abstecher nach Bayeux zum berühmten Teppich von Bayeux, auf dem die Eroberung Englands im 11. Jahrhundert durch Wilhelm den Eroberer gezeigt wird, rundete das Programm der Bürgerreise ab. Übrigens: Wilhelm der Eroberer selbst liegt in der Kirche Saint Étienne in Caen begraben.

Diese Bürgerreise bildete aber erst den Auftakt für das Jubiläumsjahr.
Im Mai wird zum Mozartfest eine Delegation aus Caen in Würzburg erwartet, während im Herbst noch einmal offiziell in Caen ein Festakt zum 60-jährigen Jubiläum der Partnerschaft stattfinden wird – ganz im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft und Völkerverständigung.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerreise erkundeten das Rathaus der Stadt Caen. Foto: Christian Weiß